Valium für Diego

Mexiko: Zapatisten im Kongress

Seltene Gäste kamen am vergangenen Donnerstag in den mexikanischen Kongress: Um elf Uhr betraten die vermummten Delegierten der EZLN und Dutzende weitere Vertreter und Vertreterinnen indigener Organisationen den Sitzungssaal, dem fast alle Abgeordneten der Regierungspartei Pan fern geblieben waren.

Auch Subcomandante Marcos fehlte. Comandante Esther, die als erste am Rednerpult das Wort ergriff, erklärte: »Als militärischer Befehlshaber hatte er die Aufgabe, uns auf dieses Pult zu bringen, und das hat er getan. Nun ist unsere Stunde.«

Sie hielt die Hauptrede vor dem Kongress und wies auf die besondere Situation der dreifachen Unterdrückung hin, die indigene Frauen erleben. Erneut betonte sie die Dialogbereitschaft der Zapatisten und ging auf die Räumung der letzten beiden von insgesamt sieben Militärbasen ein, deren Auflösung die Zapatisten gefordert hatten. Damit sei die erste der drei zentralen Forderungen erfüllt. »Auf ein Zeichen des Friedens werden wir nicht mit einem Zeichen des Krieges antworten«, sagte sie. Nun werde die EZLN nicht mit bewaffneten Einheiten in die entmilitarisierten Gebiete vorrücken.

Neben der Auflösung von sieben in zapatistischen Kerngebieten gelegenen Militärcamps fordert die EZLN als Voraussetzung für eine Fortsetzung der Gespräche mit der Regierung auch die Freilassung der letzten zehn gefangenen Zapatisten sowie die Verabschiedung eines Gesetzes über die Rechte und die Kultur der Indígenas, das dem Kongress vorliegt.

Die Möglichkeit, doch noch vor dem Kongress zu sprechen, war erst im letzten Moment zustande gekommen. Die Regierungspartei Pan hatte sich entgegen der Empfehlung des Präsidenten Vicente Fox geweigert, der Delegation ein Rederecht zu erteilen, sie schlug ein Treffen mit einigen Vertretern des Kongresses vor. Das lehnte die EZLN ab. Die in Mexiko-Stadt weilenden Comandantes der EZLN versammelten sich darauf vergangene Woche mit Zehntausenden Unterstützern zu einer Protestkundgebung vor dem Kongress, auf der die Rebellen ihre Rückkehr nach Chiapas ankündigten.

In einer Abstimmung im Kongress erlitten schließlich die Pan und ein Teil der sie unterstützenden ehemaligen Regierungspartei Pri eine Niederlage; ein von der linksoppositionellen PRD initiierter Antrag, die EZLN zu empfangen, erhielt eine knappe Mehrheit. Das Verhältnis zwischen Fox und der Pan ist gespannt. Viele seiner Parteigänger werfen ihm vor, gegenüber den Zapatisten nachgiebig zu sein. Sie bevorzugen die härtere Gangart des Fraktionsvorsitzenden Diego Fernández de Cevallos, der sich beim Thema Chiapas häufig in Rage redet. Die Zapatisten meinten daher kürzlich, sie hätten eine weitere Forderung an die Regierung: ihm Beruhigungsmittel zu geben.

Die Unternehmerverbände haben mittlerweile gefordert, zu besagtem Gesetz gehört zu werden, da es »Investitionen in bestimmten Regionen unmöglich machen könnte«. Ein Sprecher verkündete, den Indígenas zu erlauben, über die Formen des Zuammenlebens selbst zu entscheiden, setze sie der Versuchung aus, »irgendeine Form von Sozialismus« oder »eine versteckte Tyrannei« einzuführen. In der Presse wird weiter über die Rolle Marcos' spekuliert. Einige Medien wollen von »schweren Meinungsunterschieden« in der EZLN wissen, andere sehen ihn bereits abgesetzt. Die Realität scheint einfacher zu sein: Marcos, so gab die EZLN zu, ist ihr militärischer Oberbefehlshaber. Je weiter die Zapatisten sich auf dem politischen Terrain vorwagen, desto geringer dürfte sein Einfluss werden.


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