Venezuela im Umbruch: Präsident Chávez konkretisierte Maßnahmen zur Vertiefung des bolivarianischen Prozesses. Notizen von der jW-Leserreise

Forcierte Revolution

Am Empfang der politischen Reisegruppe aus der BRD durch die Gemeindevertretung Guacara im Bundesstaat Carabobo konnte Bürgermeister José Manuel Flores nicht teilnehmen. Doch der Grund für sein Fehlen war gewichtig und die zwei anwesenden Stadtratsabgeordneten kein schlechter Ersatz. Flores war nach Caracas gereist, wo am vergangenen Wochenende ein zweitägiges Arbeitstreffen der bolivarianischen Bürgermeister und Gouverneure stattfand, die am 31. Oktober gewählt wurden. Die Mandatsträger kamen in der Hauptstadt mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, Vizepräsident José Vicente Rangel, einigen Ministern und chavistischen Abgeordneten aus der Nationalversammlung zusammen, um die Leitlinien und Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit festzulegen.

Die neue Etappe nach den Regionalwahlen, so Chávez, stelle konzeptionell eine "Revolution in der Revolution" dar. "Es geht um eine Vertiefung des Prozesses", ergänzte der Informations- und Kommunikationsminister Andrés Izarra in einer anschließenden Erklärung an die Presse, "die substantielle Veränderungen im gesamten venezolanischen Gesellschaftssystem mit sich bringen wird".

Die wohl wichtigste Neuerung ist, daß alle Kandidaten der chavistischen Bewegung für öffentliche Ämter in Zukunft von der Basis in Vorwahlen bestimmt werden sollen. Der Präsident schloß sich auch selbst mit ein und kündigte an, seine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen 2006 durch die Basis vorab bestätigen zu lassen. Der Schritt war notwendig, weil einige Kandidaten für die vergangenen Bürgermeister- und Gouverneurswahlen "von oben" ernannt worden waren. Einige Kandidaturen hatten dabei für Unmut an der Basis gesorgt. Diese Differenzen hatten auch bei den zahlreichen Gesprächen der deutschen Reisegruppe in den Armenstadtteilen Venezuelas eine Rolle gespielt.

Gemäß der Beschlüsse vom Wochenende soll zudem jeder Gouverneur und Bürgermeister innerhalb eines Monats einen Aktionsplan präsentieren. Dieser müsse inhaltlich mit den Positionen der Basisgruppen abgestimmt sein. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch die flächendeckende Einführung der gesetzlich vorgesehenen "lokalen öffentlichen Planungskomitees" (CLPP), die sich direkt an der Planung der Gemeindehaushalte beteiligen.

Die zur Mobilisierung zum Referendum am 15. August um die Amtsenthebung des Präsidenten gegründeten "Einheiten zur Wahlschlacht" (UBE) sollen zur Vertiefung der sozialen Transformation in "Einheiten zur endogenen Schlacht", ebenfalls UBE, umgewandelt werden. Die UBEs wurden nach einem Aufruf von Chávez direkt von der Basis gegründet. Am besten funktionieren sie dort, wo man sich gegen die Versuche der lokalen Vertreter der Regierungsparteien zur Wehr setzen konnte, den UBEs eine politische Leitung vorzusetzen.

Den UBEs kommt nun die Aufgabe zu, gezielt die interne Entwicklung des Landes auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene zu forcieren. Auch die Arbeit der diversen "Regierungsmissionen" im Bereich Gesundheit, Bildung und Förderung kollektiver Arbeits- und Besitzformen werde nun, so Chávez, intensiviert werden. Initiativen, denen selbst viele von der Regierung nicht überzeugte Venezolaner hohe Anerkennung zollen.


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