Präsident sieht sich als Kämpfer in globaler Schlacht

Chávez will mit Schemata brechen

In der vergangenen Woche erlebte Caracas den zweiten internationalen Kongress der Solidarität mit der »Bolivarianischen Revolution«.

Der Termin war mit Bedacht gewählt: Nachdem rechte Kreise des Militärs und der venezolanischen Oberschicht am 11. April 2002 versucht hatten, die Regierung des Präsidenten Hugo Chávez zu stürzen, waren der Staatschef und sein Kabinett dank der Massenproteste gegen den Putsch zwei Tage später wieder ins Amt zurückgekehrt. Zwei Jahre nach diesen dramatischen Ereignissen sprach Chávez auf einer Großkundgebung vor dem Regierungspalast in Caracas. Er wandte sich vehement gegen die »Eliten« Venezuelas, der USA, Lateinamerikas und Europas, die den Putsch seinerzeit entweder unterstützt oder zumindest gefeiert hatten. Die Verurteilung der USA bezog er ausdrücklich auf die Regierung, nicht auf die Bevölkerung des Landes. »Die Bolivarianische Revolution«, sagte Chávez, »ist Teil einer globalen Schlacht gegen die Eliten, die die Welt in eine große Niedriglohnfabrik verwandeln wollen.« Sie sei Teil des Kampfes, den die Indigenas in Ecuador ebenso wie die Koka-Bauern in Bolivien, die Piqueteros in Argentinien, die Zapatisten in Mexiko und andere Bewegungen führen – für ein anderes Gesellschaftsmodell als das der Menschheit weltweit aufgezwungene. Die Suche nach einer Alternative sei notwendig.

Seine Regierung sei entschlossen, mit den kapitalistischen Schemata zu brechen, die von einer Minderheit zur eigenen Bereicherung geschaffen wurden, kündigte Chávez vor über 200 Gästen des Kongresses im Regierungspalast Miraflores an. Als erste Rednerin war Miriam Caripa aufgetreten, eine Straßenhändlerin, die während des Putsches die Rückeroberung des Staatsfernsehens durch die Bevölkerung angeführt hatte.

Rafael Alegria, Bauernführer aus Honduras und Vorsitzender der Landarbeiterorganisation Via Campesina, lobte die Fortschritte im Rahmen des »bolivarianischen Prozesses« in Venezuela, wies aber auch auf ein ernstes Schreiben hin, das seine Organisation an Chávez gerichtet hatte. Darin wurde die venezolanische Regierung aufgefordert, ein Abkommen mit dem Agrarkonzern Monsanto aufzukündigen, dem die Anpflanzung von 200000 Hektar Soja zugestanden worden war. Via Campesina kritisierte, dass Monsanto genmanipuliertes Saatgut verwende. Der gut gelaunte Präsident schritt daraufhin ans Mikrofon, dankte Via Campesina und erklärte, der Vertrag sei bereits gekündigt und ein 500-Hektar-Versuchsfeld vernichtet worden. In Venezuela werde es keinen Anbau genmanipulierter Pflanzen geben. Die Fläche sei für den Anbau einheimischer Sorten Yucca, Sesam und Sonnenblumen verplant. Das Wissenschaftsministerium sei angewiesen worden, eine Saatgutbank für einheimische Pflanzen anzulegen, die Via Campesina zur Verfügung gestellt werden soll.

Im Verlauf des dreitägigen Kongresses fanden zahlreiche Diskussionsveranstaltungen und Vorträge über die Menschenrechte, das amerikanischen Freihandelsabkommen ALCA und den venezolanischen Gegenvorschlag ALBA, über Landarbeiterbewegungen und Demokratie statt. Dabei blieb Kritik an einzelnen Ereignissen und Entscheidungen der venezolanischen Regierung nicht aus.

Das große Interesse an der Entwicklung in Venezuela bewies die Teilnahme zahlreicher Aktivisten verschiedenster Bewegungen, Journalisten, Intellektueller und anderer Persönlichkeiten. Darunter waren der Vorsitzende der bolivianischen Kokalerogewerkschaft, der Abgeordnete Evo Morales, die chilenische Theoretikerin Marta Harnecker, der guatemaltekische Bauernführer Juan Tiney, die argentinische Starjournalistin Stella Calloni, die FMLN-Repräsentantin Blanca Flor Bonilla, der senegalesische Ökonom Mamadou Diouf und andere.
(ND 19.04.04)


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