Interview mit Prof. Horst-Jürgen Schwartz, engagiert in der Kampagne "Milch für Kubas Kinder":

Tierhaltung künftig mit eigenen Ressourcen

Prof. Horst-Jürgen Schwartz, Professor für Agrarwissenschaften an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, betreut ein "Pilotprojekt zur Verbesserung der weideunabhängigen Milchproduktion in der Provinz Havanna". Dieses Unternehmen, das im Rahmen der Kampagne "Milch für Kubas Kinder" von "Cuba Sí" initiiert wurde, soll über die dringend notwendige Soforthilfe hinausweisen und Perspektiven für die von der USA-Blockade schwer getroffene kubanische Landwirtschaft aufzeigen helfen. Um das Projekt zu begleiten, fährt Prof. Schwartz drei- bis viermal im Jahr auf die Karibikinsel. Mit dem Agrarwissenschaftler sprach Dario Azzellini.

Weshalb wurde dieses Projekt in gang gebracht?

Als die Kubaner noch gute Handelsbeziehungen zum damaligen Ostblock hatten, bezogen sie hauptsächlich im Tausch gegen Zucker Kraftfutter und andere Betriebsmittel für die Tierhaltung aus der Sowjetunion. Damit konnten sie eine hochentwickelte Milchproduktion aufbauen. Als der Handel mit Osteuropa zusammenbrach, kollabierte auch die Milchproduktion. Die Hochleistungsrinder, die zur Steigerung der Milchproduktion importiert wurden, brauchen das Kraftfutter. Ansonsten verausgaben sie sich völlig, magern ab, und es kann zum Tod der Tiere kommen. Allein in der Provinz Havanna sollen in den letzten Jahren 80.000 bis 90.000 Tiere gestorben sein. Mit Hilfe des Projekts soll nun die Milchproduktion auf der Insel wieder angekurbelt werden. Zu diesem Zweck soll das Futter dort selbst angebaut, und das ganze System mit einheimischen Ressourcen betrieben werden.

Welchen Umfang hat das Projekt gegenwärtig?

Der finanzielle Rahmen ist relativ klein. Wir haben bisher etwa 150 000 Dollar ausgegeben und können, wenn die Spendenbereitschaft anhält, für die nächsten zwei bis drei Jahre mit etwa der gleichen Summe arbeiten. Die Kosten sind deshalb so niedrig, da die Kubaner alles dazu liefern, was gebraucht wird: Flächen, Stallungen, Tiere usw. Uns fällt die Aufgabe zu, Betriebsmittel zu kaufen, die in Kuba zur Zeit nicht verfügbar sind, z. B. einen Traktor. Der ist besonders wichtig, da die Tiere ja nicht auf der Weide grasen, sondern ihr Futter auf Äckern angebaut wird. Wir haben etwa die Hälfte der Betriebsflächen gepflügt und produzieren jetzt qualitativ hochwertiges Anbaufutter. Wir konnten damit in nur knapp sechs Monaten, in denen das Konzept in die Praxis umgesetzt wird, die durchschnittliche Tagesmilchleistung pro Kuh von 3,5 auf 6,5 Liter erhöhen.

Wieviele Tiere werden denn mit Futter versorgt?

In dem Pilotprojekt bisher 100 Kühe. Wir werden aber nächstes Jahr sechs weitere Betriebe, die an unser Projekt angrenzen, in die Maßnahmen einbeziehen. Wir erhoffen uns einen Ringeffekt.

Beschränkt sich die deutsche Unterstützung auf die Finanzierung von Ersatzteilen?

Nein, wir finanzieren auch die Untersuchungen mit, die notwendig sind, das Projekt möglichst effizient zu machen. Außerdemwollen wir ein alternatives Energiekonzept für den Betrieb entwerfen. Mittels Biogas, tierischer Anspannung für die Feldarbeit sowie Wind- und Solarenergie soll der Betrieb von der lokalen Stromversorgung unabhängig werden, was bei der Energieknappheit Kubas sehr wichtig wäre. Außerdem versuchen wir auch persönlich, so gut zu helfen wie nur möglich: Wir haben zum Beispiel hier in Berlin eine Sammlung von funktionsfähigen technischen Geräten veranstaltet, die von "Cuba Sí" demnächst nach Kuba gebracht werden.

Bei wem liegt die Leitung des Projekts?

Es gibt zwei Projektdirektoren, einen Kubaner und einen Deutschen. Letzterer hat einen Teilzeitvertrag und arbeitet etwa zehn Tage im Monat.

Wie wird das Projekt von den Kubanern aufgenommen?

Ich habe überall ein wirklich unerwartetes Entgegenkommen gefunden; an der Durchführung beteiligt sich ja auch die Nicht-Regierungsorganisation "Kubanische Vereinigung der tierischen Produktion" (ACPA). Wir schicken beispielsweise deutsche Studenten für Praktikumszeiten in das Projekt, und da haben die Kubaner ganz selbstverständlich kleine Quartiere mit annehmbaren Standards auf dem Betriebsgelände zur Verfügung gestellt.

Spenden für das Projekt an "Cuba Sí", Konto 4382 200 00/ Cod. 9612, Berliner Bank, BLZ 100 20000, Stichwort "Kuba muß überleben" oder "KarEn" (Alternative Energien für Kuba), Konto 223 140, Ökobank, BLZ 500 90100