Venezuela: Startschuß für 47 beantragte Volksabstimmungen, darunter auch zu Präsident Chávez

Opposition in der Klemme

Der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) hat sich vergangene Woche auf die Zulassung aller 47 eingereichten Anträge über Volksabstimmungen zu verschiedenen Amtsträgern, darunter auch das Referendum zu Staatspräsident Hugo Chávez, geeinigt. Die 1999 ebenfalls in einer Volksabstimmung verabschiedete Verfassung sieht vor, daß Amtsträger nach der Hälfte ihrer Legislaturperiode in einer Volksabstimmung wieder abgewählt werden können.

Damit hat die Opposition nun ein Ziel erreicht, das sie vorgeblich seit Monaten verfolgte. Allerdings bleibt offen, ob sie mit der Entscheidung tatsächlich so glücklich ist. Die Strategie der Opposition zielte bisher eher darauf, zwar eine Volksabstimmung einzufordern, zugleich aber die notwendigen Schritte zu deren Verwirklichung zu behindern. Vieles deutet daraufhin, daß der größte Teil der Opposition es bevorzugt hätte, wenn die Verfahrensweise nicht so schnell festgelegt worden wäre, um der Regierung Chávez weiterhin eine antidemokratische Haltung vorwerfen zu können.

Außer dem Antrag gegen den Präsidenten sind alle weiteren Anträge von Regierungsanhängern eingereicht worden. Sieben betreffen oppositionelle Gouverneure, die in verschiedenen Bundesstaaten im Amt sind, 38 beziehen sich auf Abgeordnete der Nationalversammlung, die sich in vielen Fällen als Chávez-Anhänger wählen ließen und dann die Seiten wechselten. Unter »Beschuß« steht auch der oppositionelle Bürgermeister von Caracas, Alfredo Peña, der ursprünglich ebenfalls auf Chávez-Ticket gewählt wurde. Die Abwahl Peñas, der aufgrund des politischen Einsatzes der Stadtpolizei und seiner offenen Beteiligung am Putsch im April 2002 besonders verhaßt ist, gilt als nahezu sicher.

Doch bevor es zu einem Referendum kommt, müssen dafür die Unterschriften von 20 Prozent der Wahlberechtigten gesammelt werden. Wird dieses Ziel erreicht, findet die Volksabstimmung in den folgenden 120 Tagen statt. Um einen Amtsträger abzusetzen, müssen die Antragsteller in der Volksabstimmung mehr Stimmen auf ihren Antrag vereinen, als die entsprechende Person bei der Wahl erhalten hatte. Im Falle des Referendums gegen Chávez dürfte dies ein sehr schweres Unterfangen werden, falls es der Opposition überhaupt gelingen sollte, die nötigen Unterschriften zu sammeln.

Der Präsident des Nationalen Wahlrates Venezuelas (CNE), Francisco Carrasqueño López, erklärte, alle Abstimmungen würden die gleiche Priorität genießen. Gemäß des verabschiedeten Reglements haben die Antragsteller bis zum heutigen Montag Zeit, das CNE über die Sammelstellen für die Unterschriften zu informieren und weitere vier Tage bis Ende dieser Woche, um die benötigten Unterschriften zu sammeln. Die Unterzeichner müssen neben diversen persönlichen Angaben auch ihren Fingerabdruck neben der Unterschrift hinterlassen. Damit soll Betrügereien in größerem Ausmaß vorgebeugt werden.

Indes hat sich in Venezuela die Wirtschaftslage weiter entspannt, die Arbeitslosigkeit und Inflation sind im September leicht gesunken, und die Vertrauenswürdigkeit des Landes auf den internationalen Finanzmärkten hat weiter zugenommen. Die Lebensqualität verbesserte sich durch das Wirksamwerden zahlreicher Bildungs- und Gesundheitsprogramme sowie die Einrichtung eines staatlichen Netzes zur Abgabe stark preisreduzierter Lebensmittel und Medikamente in Armenvierteln.