VENEZUELA Nach dem gescheiterten April-Putsch gegen den populären Präsidenten Chávez setzt die Opposition auf Gewalt und internationalen Druck

Magier des Volkes

In den venezolanischen Grenzregionen zu Kolumbien, in Táchira, Apure und Zulia sollen nach eigenen Angaben paramilitärische Gruppen der "Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Venezuelas" aktiv sein. In einem Ende Juni in den venezolanischen Medien verbreiteten Video verkündete ein vermummter "Comandante Antonio", 2.200 Bewaffnete stünden bereit, um Venezuela vor der kolumbianischen Guerilla und dem Kommunismus zu "schützen". Die Organisation bestehe zum Großteil aus Militärs und Ex-Militärs, deren Ziel es sei, das politische Panorama Venezuelas zu verändern. Präsident Chávez wurde zum "militärischen Ziel erklärt".

Die venezolanische Regierung ist bislang eher gelassen geblieben und verkündete Mitte Juni die Kürzung des Militäretats um 40 Prozent an. Das eingesparte Geld soll laut Planungsminister Felipe Pérez in Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung fließen. Damit nimmt die Regierung Chávez der Opposition, die ihm stets eine Militarisierung der Gesellschaft vorwirft, den Wind aus den Segeln. An einer groß angekündigten Demonstration verschiedener Oppositionsgruppen nahmen vor drei Wochen weniger als 5.000 Personen teil. Oberst a.D. Hidalgo Valero, einer der Organisatoren, zeigt sich dennoch überzeugt: "Wir können nicht den Kommunismus im Land erlauben. Venezuela wird immer demokratisch, frei und unabhängig sein und wir werden die Existenz des Kommunismus niemals zulassen."

Am vergangenen Wochenende landete Ex-US-Präsident Jimmy Carter in Caracas und traf sich zu Gesprächen mit Präsident Chávez Vizepräsident Rangel, Medienunternehmern und Kirchenrepräsentanten. Carter soll die Chancen für einen Dialog zwischen Regierung und Opposition sondieren. Die Opposition begrüßte zwar die Carter-Kommission, rief aber dennoch für den 11. Juli zu einer weiteren Demonstration auf.

Mittlerweile konzentrieren sich die Bemühungen der Opposition darauf, den Generalstaatsanwalt Isaías Rodríguez von seinem Posten zu entfernen. Rodríguez hatte - nach dem April-Putsch gegen Chávez - eine im Fernsehen übertragene Pressekonferenz einberufen, auf der er seinen Rücktritt ankündigen sollte. Vor laufenden Fernsehkameras war von Rücktritt aber keine Rede mehr, und er erklärte, Chávez sei keinesfalls, wie von den Putschisten verkündet, zurückgetreten. Isaías Rodríguez, so der Wille der Opposition, soll durch einen neuen Generalstaatsanwalt ersetzt werden, der bereit ist, ein Verfahren gegen Chávez in die Wege zu leiten. Dieses würde dann dem Obersten Gerichtshof unterbreitet werden, wo elf der 20 Richter der Opposition zugerechnet werden. Das zu einer Verurteilung notwendige Quorum liegt jedoch bei 16, so dass es wohl eher darum geht, das eingeleitete Verfahren propagandistisch auszuschlachten.

Chávez zeigt sich davon nicht sonderlich beeindruckt. In seiner wöchentlichen TV- und Radioübertragung "Aló Presidente" verkündete er in der vergangenen Woche: "Wer kann glauben, dass Millionen von Venezolanern die Arme kreuzen und still zu Hause bleiben, wenn sie sehen, dass Chávez angeklagt und festgenommen wird?" Tatsächlich ging Chávez bisher gestärkt aus der politischen Krise hervor und verschiedene Meinungsumfragen sehen seine Unterstützung in der Bevölkerung zwischen 59 und 70 Prozent.

Auch die Ergebnisse einer von Basisorganisationen initiierten Boykottkampagne gegen jene Medien und Unternehmen, die den April-Putsch unterstützten, bestätigen die andauernde Popularität des Präsidenten. Die Auflagen der großen Tageszeitungen El Nacional und El Universal befinden sich im freien Fall. El Nacional, vor dem Putsch noch bei mehreren Hunderttausend verkauften Exemplaren, druckt nur noch knapp 60.000 Zeitungen täglich. Beide Zeitungen werden in einigen Gebieten gratis verteilt. Auch die Quoten der großen Privatsender sanken merklich, während sich Werbekunden aus Furcht vor einem Boykott zunehmend zurückziehen.

Ökonomisch hat sich das Land mittlerweile stabilisiert. Nach einem durch massive Kapitalflucht und stornierte Investitionen künstlich forcierten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im ersten Halbjahr, zeichnet sich für die zweite Hälfte des Jahres eine Erholung ab. Im vergangen Jahr war die Wirtschaft Venezuelas trotz widriger Umstände noch um 2,8 Prozent gewachsen, ohne den Erdölsektor gar um vier Prozent. Präsident Chávez hielt auch an den Erdöllieferungen zu Sonderkonditionen für Kuba fest und erklärte, alle Erdöllieferabkommen mit der Karibikinsel würden eingehalten werden.

Davon unbeeindruckt rollt eine massive Propagandakampagne in meinungsmachenden internationalen Medien der ibero-amerikanischen Welt, wie etwa im spanischsprachigen CNN oder den Madrider Tageszeitungen El País und El Mundo, die versuchen, Venezuelas Lage mit der katastrophalen Situation Argentiniens zu vergleichen. El Mundo hat sogar angeregt, Chávez von "venezolanischen Psychiatern" für verrückt erklären lassen.

Währenddessen rücken die Untersuchungen des Staatsstreichs vom 11. April die Opposition in ein immer ungünstigeres Licht. Ballistische Untersuchungen an den Waffen der Stadtpolizei von Caracas, die dem in Opposition zu Chávez stehenden Bürgermeister unterstellt ist, ergaben, dass 34 Polizisten während der Ereignisse um den Präsidentenpalast ihre Pistolen einsetzten. Aus welchen Waffen welche Schüsse abgegeben wurden, lässt sich jedoch nicht mehr feststellen, da die tödlichen Kugeln zuvor angeschliffen worden waren, um so eine ballistische Untersuchung zu erschweren. Bereits in der Vergangenheit wurde diese Technik von der Polizei eingesetzt, wenn es darum ging, geplante Zwischenfälle zu vertuschen.


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