Nachdem in Nikaragua vor etwa zwei Jahren die FSLN-Regierung abgewählt wurde, schien der ersehnte Frieden gekommen zu sein

Die „Recontras“ in Nikaragua spielen mit dem Feuer

Nachdem in Nikaragua vor etwa zwei Jahren die FSLN-Regierung (nicht ohne massiven Druck der USA) abgewählt wurde, schien der ersehnte Frieden gekommen zu sein. Die Contras – bewaffnete Gegner der Regierung – sollten Land erhalten und ins zivile Leben zurückkehren, wie auch die ehemaligen Angehörigen der auf weniger als ein Drittel reduzierten, ursprünglich 96000 Mann und Frau starken Armee.

Doch schon kurz darauf häuften sich die Überfälle marodierender Banden auf Kooperativen, Höfe und Transporte. Diesen aus Ex-Contras sowie Ex-Armeeangehörigen bestehenden Haufen folgte im März eine erste organisierte Gruppe von 300 Contras unter der Führung von ‚El Indomable’, dem Unbezwingbaren, der den offenen Kampf gegen die neue Regierung aufnahm. Angesichts einer Arbeitslosenrate von 58 Prozent und des Ausbleibens der versprochenen Landzuteilung wuchs die Zahl der Recontras rasch an. Heute sind es weit über 3000. Zwar wurden wiederholt Friedensverträge unterzeichnet – zuletzt verpflichteten sich vier Recontra-Chefs in Tomatoya zu einer heute beginnenden Waffenabgabe –, doch gab es immer wieder militärische Aktionen.
In der Recontra finden sich verschiedene Positionen wieder. Einige verlangen von der konservativen Regierung das Land, das ihnen versprochen wurde. Sie fühlen sich betrogen und meinen, dass ihre Forderungen nur mit Waffen durchzusetzen sind. Deutlich wird dies in den am stärksten von Recontra-Aktivitäten betroffenen Nordregionen Nikaraguas, wo nur 25 Prozent der Demobilisierten Land erhalten haben. Andere Verbände haben politische Ziele formuliert: Absetzung des als liberal geltenden Präsidialministers Lacayo, Säuberung des ehemaligen Sandinistischen Volksheeres (EPS) und der Polizei, Enteignung der während der Revolution verteilten Ländereien. El Indomable will gar „kämpfen, solange noch ein Sandinist am Leben ist“.

Was alle eint, sind die Angriffe auf Kooperativen und Mordanschläge auf bekannte Sandinisten, wobei die Konfrontation mit der Armee möglichst vermieden wird. Recontras operieren mit modernen Waffen, was zu Gerüchten über deren Herkunft führte, bis sie selbst erklärten, dass die schon früher zum Nachschub benutzten Flugpisten in Honduras wieder aktiviert worden seien. Dies wiederum geschah durch die PRN, die „Partei des nationalen Widerstandes“, die im Oktober von Ex-Contras in Miami gegründet wurde. Profiteur des ganzen ist die extreme Rechte innerhalb der U.N.O., die Präsidentin Chamorro für unfähig hält, die nationalen Probleme zu lösen.

Die Angriffe haben seit dem Regierungswechsel bereits mehr als 200 Todesopfer gefordert. Nach anfänglicher Zurückhaltung hat die Armee mittlerweile einige größere militärische Aktionen gegen die Recontras unternommen. Das Zögern des Verteidigungsministers,, des Sandinisten Humberto Ortega, hatte für Unzufriedenheit in der Basis gesorgt.

Da sich viele Sandinisten ihres Lebens nicht mehr sicher sind, bildeten sie Guerilla-Gruppen zum Schutz vor der Recontra. Diese gaben sich zwar Namen wie „Bewaffnete Revolutionäre Bewegung“ (MAR) oder „Bewaffnete Front des Aufstandes“ (FIA), wurden jedoch in der Presse in Anlehnung an die Recontra als Recompa bezeichnet. Die Compas – spanische Kurzform für Genossen – treten für die Erhaltung der Errungenschaften der Revolution ein. Ihre Gesamtzahl beläuft sich auf etwa 3000 und steigt. Angesichts der Arbeitslosigkeit tun nämlich viele das einzige, was sie gelernt haben: Krieg führen. Oder wie ein ehemaliger sandinistischer Frontkämpfer sagte: „Wenn du zu Hause rumsitzt und wartest, wann sie kommen, wirst du verrückt. Ich kann meine Familie sowieso nicht ernähren, da geh’ ich doch zur Recompa, da krieg ich was zu essen und mach was sinnvolles.“

Auch ehemals mit der Contra sympathisierende Bauern schlagen sich zu den Recompas oder zur „Columna Pedro Altamirano“, die sich „neutral“ nennt und „für die Verteilung von Land an Militärs und Ex-Contras sowie für die Rechte des Volkes“ kämpft.
Und die FSLN? Sie windet sich vor klaren Aussagen. Einerseits will sie sich nicht offen zu den Recompas bekennen, andererseits gesteht sie bedrohten Bauern und Sandinisten zu, „die Verteidigung gegen Übergriffe zu organisieren“. Doch auch in der Beurteilung der Recontra sind die Sandinisten sich nicht einige. Manche sehen sie als „asoziale Kriminelle“, andere versuchen einen Keil in sie zu treiben, indem sie ihre Landforderungen anerkennen, unterstützen und mit ihnen verhandeln.

Die zerstrittene Regierung lässt am wenigsten klares Vorgehen erkennen. Hier und da werden, wenn es nicht mehr anders geht, Zugeständnisse an die eine oder andere Seite gemacht, die jedoch entweder nur eine Partei zufrieden stellen oder aber nicht eingelöst werden. Ob daher immer neue Demobilisierungsabkommen ein Resultat zeigen werden, ist mehr als fraglich, solange den Menschen in Nikaragua keine wirtschaftliche Perspektive geboten wird.