Venezuela: 58,25 Prozent für Gegner einer vorzeitigen Amtsenthebung des Staatschefs

Chávez bleibt Präsident

Neue Etappe der bolivarianischen Revolution angekündigt

Gegen vier Uhr am Montag morgen, in Luxemburg war es wegen der Zeitverschiebung bereits zehn Uhr, verkündete Francisco Carrasquero, der Präsident des Nationalen Wahlrates (CNE), das erste Ergebnis des Referendums über die Amtsenthebung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Demnach votierten nach Auszählung von 94,49 Prozent der Stimmen 58,25 Prozent oder 4.991.483 Wahlberechtigte gegen eine Amtsenthebung und 41,74 Prozent (3.576.517) dafür. Damit führt Chávez sein Mandat bis Januar 2007 zu Ende. Das Ergebnis könnte sich noch weiter zu Gunsten Chávez‘ verschieben, da die noch fehlenden Stimmen die bevölkerungsreichen Armenviertel betreffen, in denen Chávez die größte Unterstützung genießt. Schließlich hat die Politik des vom Imperialismus, vor allem den USA, angefeindeten Präsidenten erstmals den Armen Venezuelas einen breiten Zugang zu Bildung, Gesundheit und demokratischen Rechten ermöglicht.

Die Auszählung hatte sich verzögert, nachdem die Stimmabgabe aufgrund des großen Andrangs und einiger technischer Probleme nicht wie vorgesehen um 16 Uhr Ortszeit abgeschlossen werden konnte. Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde zunächst auf 20 Uhr und schließlich sogar bis Mitternacht verlängert. In vielen Armenstadtteilen standen allerdings auch nach 24 Uhr noch Hunderte Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Die Wahllokale hatten die Anweisung, nicht zu schließen, so lange noch Personen in der Schlange stehen, um am Referendum teilzunehmen.
Die Beteiligung an der Abstimmung lag mit über 60 Prozent vergleichsweise hoch. Im Dezember 1999, als Chávez erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, beteiligten sich nur knapp 45 Prozent der rund 14 Millionen Wahlberechtigten.

Die Opposition schwieg in den ersten Stunden nach Bekanntgabe des Ergebnisses beharrlich. Sie hatte sich bis zuletzt siegessicher gegeben, obwohl nahezu alle Umfragen einen klaren Sieg von Chávez und seiner Anhänger prognostizierten. Die beiden offen oppositionellen Mitglieder der CNE, Sobella Mejìas und Ezequiel Zamora, verkündeten sogleich, das Ergebnis sei ”noch nicht als zuverlässig anzusehen“, da es ”von niemandem bestätigt worden“ sei. Doch etwa zur gleichen Zeit bestätigte sowohl der ehemalige US-Präsident James Carter, im Namen seines die Wahl beobachtenden Carter-Zentrums, als auch zahlreiche weitere internationale Wahlbeobachter die Ergebnisse. Nur der rechte kolumbianische Expräsident Cesar Gaviria zeigte sich als Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unzufrieden. Allerdings nicht mit dem Verlauf, sondern mit dem Ergebnis der Abstimmung.

Mit dem Ergebnis unzufrieden zeigte sich auch die Opposition. Auf einer Pressekonferenz des Oppositionsbündnisses ”Demokratische Koordination“ erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete Henry Ramos Allup, die Opposition werde die Resultate nicht anerkennen, die Zahlen der CNE seien ”Teil eines großangelegten Wahlbetruges“. Untersuchungen des Unternehmens Sumate hätten ergeben, das 59,4 Prozent für die Absetzung Chávez‘ gestimmt hätten. Ein solches Vorgehen war von vielen Beobachtern erwartet worden. Während die Regierung bereits im Vorfeld immer wieder erklärte, das Ergebnis auf jeden Fall anerkennen zu wollen, konnte sich die Opposition nicht zu einer solchen Aussage durchringen.

Regierungsvertreter hatten daher wiederholt ihre Befürchtung geäußert, oppositionelle Gruppen könnten in Anbetracht der drohenden Niederlage gewalttätige Ausschreitungen provozieren, um einen Ausnahmezustand zu provozieren. Doch insgesamt verlief der Wahltag relativ ruhig, auch wenn bei Zwischenfällen drei Personen starben und fünf verletzt wurden. So wurde eine junge Frau von einem Schuß getroffen, der sich versehentlich aus der Waffe eines Soldaten löste. Eine Person starb, als Unbekannte in einem Armenstadtteil das Feuer auf die Schlange vor einem Wahllokal eröffneten und eine weitere Person wurde gezielt getötet. In mehreren Bundesstaaten wurden indes Personen festgenommen, die mit gefälschten CNE-Ausweispapieren oder mit mehreren Personalausweisen aufgegriffen wurden.

Am Nachmittag des Wahltages präsentierte der CNE auf einer Pressekonferenz zudem eine CD, auf der eine mit der Stimme des CNE-Präsidenten Carrasquero montierte Ankündigung zu hören war in der dieser erklärte: ”Das CNE-Komitee hat festgestellt, daß das Ja 11.431.086 Stimmen bekommen hat und Präsident Hugo Chávez damit des Amtes enthoben wurde.“

In den Straßen Venezuelas feiern derweil Hunderttausende den Sieg ihres Präsidenten. Diverse Basisorganisationen richteten sich sogleich gegen den ”Dialog“, der nun nach den Vorstellungen des Carter-Zentrums und der OAS zwischen Opposition und Regierung stattfinden soll und forderten die Vertiefung des Transformationsprozesses im Land.

Hugo Chávez selbst erklärte am Montag in einer ersten Ansprache: ”Venezuela hat sich unwiederbringlich verändert. Es gibt kein Zurück. (…) Von heute an bis Dezember 2006 beginnt eine neue Etappe der bolivarianischen Revolution, um den sozialen Missionen Kontinuität zu verleihen, wie auch dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Marginalisierung und Armut. (...) Wir werden dieses neue ökonomische und politische Modell konsolidieren, das darauf ausgerichtet ist, die Bedürfnisse aller Venezolaner zu befriedigen.“ Chávez erneuerte am Montag auch seine Kritik an den USA. Er hoffe, daß Washington von nun an die Regierung in Venezuela respektiere, betonte er in seiner Rede. Der Präsident hat der US-Regierung wiederholt vorgeworfen, die Kampagne zu seiner Abwahl finanziell zu unterstützen, und hat die Oppositionsführer als Schachfiguren der USA bezeichnet.