Demonstranten verhinderten Verabschiedung einer umstrittenen Verfassungsreform

Bauern blockierten Nikaraguas Nationalversammlung

Verfassungsreformen, auf die sich Nikaraguas Parlament nach monatelangen Querelen geeinigt hatte, konnten jüngst nicht verabschiedet werden. Aufgebrachte Bauern hielten das Parlament besetzt und verhinderten auch eine geplante Tagung der Abgeordneten an einem Ausweichort.

Etwa 1000 Bauern blockierten vor einer Woche die Katholische Universität von Managua, in deren Mauern das Parlament den Kompromiß zur Verfassungsreform verabschieden wollte. Das eigentliche Gebäude der Nationalversammlung war bereits eine Woche zuvor von protestierenden Bauern besetzt worden. Die Besetzer fordern die beschleunigte Übertragung von Landrechten, nachdem sie seit Jahren mit dem Versprechen, Landtitel und günstige Produktionskredite zu bekommen, hingehalten werden.

DieSandinistische Befreiungsfron (FSLN) hatte sich gegen die Verfassungsreformen ausgesprochen, die unter anderem Familienangehörigen des amtierenden Staatsoberhauptes verbieten, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Dies trifft derzeit vor allem den Schwiegersohn von Präsidentin Violeta Chamorro, den Präsidentschaftsberater Antonio Lacayo. Er war in jüngster Zeit ein wichtiger Bündnispartner der FSLN, wenn es galt, Vorstöße der extremen Rechten zurückzuschlagen.

Der Passus zu Präsidentschaftskandidaturen amtierender oder ehemaliger Staatschefs und ihrer Familienangehörigen hatte in den letzten Jahren immer wieder für Streit innerhalb der FSLN gesorgt. Schließlich ging es da auch um eine mögliche Kandidatur Daniel Ortegas, des sandinistischen Vorgängers von Violeta Chamorro. Abgeordnete, die sich vor einigen Monaten von der FSLN getrennt hatten, unterstützten das Verbot einer solchen Kandidatur.

Noch im Februar dieses Jahres hatte sich auch Präsidentin Violeta Chamorro geweigert, die von einer Mehrheit aus extremen Rechten und abgespaltenen sozialdemokratischen Sandinisten verabschiedete Verfassungsreform anzuerkennen. Daraufhin drohte das Parlament mit ihrer Absetzung, und die rebellische Mehrheit boykottierte die Wahl von vier Mitgliedern des Wahlgerichts, die ihre turnusgemäß ausscheidenden Kollegen ablösen sollten. Das Gremium war daraufhin beschlußunfähig und nicht mehr imstande, mit der Vorbereitung der für November 1996 vorgesehen Parlaments- und Kommunalwahlen zu beginnen.

Als schließlich der Oberste Gerichtshof Nikaraguas die Verfassungsreform für ungültig erklärte und damit die Position der Präsidentin unterstützte, drohte die Regierungsarbeit ganz zusammenzubrechen. Das Parlament erklärte seinerseits den Beschluß des Obersten Gerichts für ungültig, da dieses sich geweigert hatte, fünf von der Nationalversammlung ernannte Richter aufzunehmen. Überdies verkündete die Abgeordnetenmehrheit, sie werde von der Präsidentin unterzeichnete internationale Abkommen in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Verteidigung nicht mehr anerkennen.

Schließlich aber einigten sich die Präsidentin und die Parlamentsmehrheit, daß die Verfassungsreform erst nach Verabschiedung von Rahmenrichtlinien in Kraft tritt. Die Abgeordneten der FSLN lehnen den Verfassungsentwurf jedoch weiterhin ab, was ihnen den Vorwurf eintrug, sie würden die Bauern und die Landfrage mißbrauchen, um die Verabschiedung der Verfassungsreform zu verhindern.