An der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela protestieren immer mehr Menschen gegen den Plan Colombia. Die Region entwickelt sich zum Kriegsgebiet

Pastranas Buschkrieg

Es war eine gute Woche für den kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana. In Washington traf er mit dem US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush zusammen, der ihm die Unterstützung der USA bei der Ausweitung des bilateralen Handels und der Fortführung des Plan Colombia zusagte. Doch eine Einladung Pastranas und der Guerillaorganisation Farc zur Teilnahme am kolumbianischen Friedensprozess - insbesondere für das am Donnerstag in dem entmilitarisierten Caguan stattfindende internationalen Treffen zum Friedensprozess, bei dem Vertreter aus 27 Ländern erwartet werden - lehnten die USA kategorisch ab. Der kolumbianische Präsident erklärte, auch wenn die USA der Ansicht seien, die Farc agiere wie ein Drogenkartell, gebe es dafür keinerlei Anhaltspunkte.

Während Pastrana öffentlich sein Interesse am Frieden verkündet, ist die Umsetzung des Plans Colombia durch seine Regierung bereits in vollem Gange. Allein während der vergangenen zwei Monate besprühten Kolumbiens Armee und Polizei nach eigenen Angaben 35 000 Hektar angebliche Koka-Anbauflächen in der südlichen Region Putumayo, an der Grenze zu Ecuador und Peru, mit Giftstoffen.

Mittlerweile fordern nicht nur Menschenrechtsorganisationen, soziale Bewegungen, Nichtregierungsorganisationen und Umweltgruppen die Einstellung der alles zerstörenden Sprüheinsätze aus der Luft, sondern auch einige regionale Politiker und Gouverneure. Doch das hält die kolumbianische Armee nicht davon ab, die Sprüheinsätze fortzuführen. Dabei hatte sich Pastrana erst Anfang Februar bei Verhandlungen mit dem Anführer der Farc, Manuel Marulanda, verpflichtet, die Besprühung vermeintlicher Drogenanbaugebiete aus der Luft zu stoppen. Nach mehreren Wochen einigten sich Pastrana und Marulanda schließlich auf 13 Punkte, darunter auch die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla. Pastrana verkündete daraufhin, die entmilitarisierte Zone weitere neun Monate zu dulden.

Im Vorfeld des USA-Besuchs von Pastrana veröffentlichte das US-Außenministerium seinen jährlichen Bericht zum Stand der Menschenrechte in der Welt. Zu Kolumbien hieß es darin: Die "Sicherheitskräfte der Regierung begehen nach wie vor ernsthafte Menschenrechtsverletzungen, extralegale Hinrichtungen eingeschlossen". Gegen Paramilitärs aber seien sie weitgehend wirkungslos, Gefangene würden von Militärs und Polizei gefoltert und das Justizsystem sei ineffektiv. Um die umfangreiche Unterstützung der USA dennoch rechtfertigen zu können, wurde hinzugefügt, die Regierung unternehme Anstrengungen, um die Situation zu verbessern.

Ob diese Anstrengungen allerdings darin bestehen, dass zunehmend Paramilitärs und internationale Söldner anstelle der kolumbianischen Sicherheitskräfte im schmutzigen Krieg eingesetzt werden, ging aus dem Bericht nicht hervor.

Einen aktuellen Anlass hätte es gegeben: Der Beschuss eines Hubschraubers mit US-amerikanischen Beratern und Ausbildern im so genannten Antidrogenkrieg sorgte Ende Februar für erhebliches Unbehagen in den USA. Dabei handelte es sich um einen Hubschrauber des US State Department, der die Besprühung des im Südwesten Kolumbiens gelegene Caqueta aus der Luft begleitete. In der Regel setzt sich das Personal solcher Operationen zur Hälfte aus kolumbianischen Militärs oder Polizisten und US-amerikanischen Militärs, DEA-Angehörigen, Söldnern oder privat angeheuerten "Experten" zusammen.

In diesem Fall befanden sich vier US-amerikanische Angehörige des Unternehmens DynCorp aus Reston, Virginia (USA), an Bord. Die Firma übernimmt logistische Aufgaben für Militäroperationen und arbeitet traditionell eng mit der US-Army zusammen. DynCorp ist an der Organisation der Sprüheinsätze beteiligt und stellt die dafür notwendigen Fachkräfte wie Piloten, Mechaniker und medizinisches Personal zur Verfügung. Darüber hinaus bildet DynCorp "Rettungsteams" aus, auch bekannt unter dem Namen SAR (search and rescue), die in brenzligen Situationen eingreifen.

Dies taten sie auch bei dem Einsatz im Februar. Nachdem der verletzte Pilot eines unter Guerilla-Beschuss stehenden Polizeihubschraubers eine Notlandung vornehmen musste, kam ein SAR-Team und evakuierte die Betroffenen. Die Retter, allesamt mit M-16-Gewehren bewaffnet, lieferten sich dabei Gefechte mit der Guerilla.

Die kolumbianische Armee konzentriert sich indes eher darauf, den Paramilitärs aus der Patsche zu helfen, die seit mehreren Wochen wegen groß angelegter Offensiven der Guerillaorganisationen ELN und Farc in einigen Gegenden in schwere Bedrängnis geraten sind. In der Region Antioquia und vor allem im Gebiet des Magdalena Medio rund um Barrancabermeja wurden in den vergangenen Wochen etliche Camps der Paramilitärs angegriffen und zerstört, sowie Dutzende von Paramilitärs erschossen. Das Militär beschränkte sich darauf, den bedrängten Paramilitärs Feuerschutz zu geben und sie zu evakuieren.

Während die Regierung Pastrana sich darauf vorbereitet, im April in Brüssel einen guten Eindruck bei der EU zu hinterlassen und weitere Gelder für den Plan Colombia loszueisen, zeigen sich die an Kolumbien grenzenden Länder immer weniger begeistert von diesem Plan und seinen Folgen. Ende Februar besuchte Ecuadors Außenminister Heinz Moeller Washington, um eine Sonderunterstützung in Höhe von 600 Millionen Dollar zu erbitten, da die Zuspitzung der Auseinandersetzungen in Kolumbien eine erhöhte Aufmerksamkeit im Grenzgebiet notwendig mache. In den letzten Wochen waren Tausende Kolumbianer vor Paramilitärs und Armee nach Ecuador geflohen, und 500 ecuadorianische Indígenas wurden von kolumbianischen Paramilitärs aus ihren Siedlungsgebieten in Grenznähe vertrieben.

Die indigene Bevölkerung Venezuelas hingegen hat Präsident Hugo Chávez aufgefordert, im Grenzgebiet den "Notstand" wegen der sozialen Konsequenzen des Plan Colombia für die indigenen Gemeinden auszurufen. Verschiedene Organisationen entlang der über 2 000 Kilometer langen Grenze mit Kolumbien erklärten, sie fassten den Plan Colombia als Kriegserklärung auf.

Die kolumbianisch-venezolanische Grenzregion entwickelt sich in der Tat zunehmend zum Kriegsgebiet. Vor wenigen Tagen gab eine bisher unbekannte Lateinamerikanische Volksarmee (EPLA) ihre Existenz bekannt. Die Organisation bestehe aus ehemaligen Angehörigen von Farc und ELN und operiere vorwiegend auf venezolanischem Territorium. Die sich als revolutionär bezeichnende Organisation bekennt sich zu mehreren Entführungen venezolanischer und internationaler Unternehmer, von denen einer der Farc übergeben wurde.


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