Aus dem Newsletter Dezember 2013 von Dario Azzellini

Wahlen in Venezuela

Nach den letzten Berechnungen hat die PSUV 241 Gemeinden gewonnen. Weitere Parteien die den Prozess unterstützen haben 14 Bürgermeisterämter gewinnen können und die Opposition 74.

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Im Newsletter versandter Artikel:

Am vergangenen Sonntag fanden in Venezuela Kommunalwahlen statt. Insgesamt wurden 335 BürgermeisterInnen (und zwei Oberbürgermeister) gewählt, 1.680 direkt gewählte Stadträte und 686 über Listen, sowie 69 Indígena-VertreterInnen. Wahlberechtigt für die Kommunalwahlen waren insgesamt 19.066.431 Personen. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,92%. Die höchste bei alleine stattfindenden Kommunalwahlen (also nicht zeitgleich zu anderen Wahlen) in Venezuela und wesentlich höher als der Durchschnitt in Europa (in Deutschland liegt die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen bei etwa 45%) und sogar immer noch etwas höher als bei Präsidentshaftswahlen in den USA.


Mit 97,52% ausgezählter Stimmen kamen die Allianz rund um die Chávez-Partei PSUV und weitere nahestehenden Parteien auf 5.111.336 Stimmen oder 49,24%, und die rechte Oppositionsallianz MUD erhielt 4.435.097 Stimmen, 42,72%. Die PSUV alleine erhielt 44,16% und die MUD 40,96%, die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) 1,6% und sonstige Parteien 13,26%. Die Opposition und die internationale Presse hatten ja im Vorfeld versucht die Wahlen zu einem Plebiszit für oder gegen Präsident Maduro hochzustilisieren. Gut, dann sollten sie nun ihre absolute Niederlage gemäß liberaler Maßstäbe anerkennen (tun sie natürlich nicht): Der Abstand zwischen Maduro und der Opposition, der bei den Präsidentschaftswahlen noch 1,5% betrug, lag nun bei mindestens 6,5%. Das war eine deutliche Antwort auf den Wirtschaftskrieg der oppositionellen Unternehmer in den vergangenen Monaten und auf die kürzlich von der Regierung ergriffenen Gegenmaßnahmen (http://berlinergazette.de/wirtschaftskrieg-in-venezuela/). Jenseits dessen muss allerdings auch anerkannt werden, dass es kein Plebiszit war, das haben die WählerInnen sich nicht aufbinden lassen. Die lokale Politik spielte für die Wahlentscheidung die zentrale Rolle, auch wenn nicht geleugnet werden kann, dass die allgemeine Situation Enfluss hatte.

Trotz dieses scheinbar großen Sieges und mit noch fehlenden Einzelresultaten ging die Gesamtanzahl der von der PSUV gehaltenen Kommunen von 280 auf etwa 250 runter (im besten Fall können es noch 251 werden. Die MUD hingegen konnte hingegen die Zahl ihrer Rathäuser von 53 auf etwa 70 steigern. Dabei gewann das rechte Bündnis wichtige Städte wie Valencia, Iribarren, San Cristóbal, Monagas, Mariño, Arismendi, Libertador (Mérida) und sogar Barinas, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates in dem Hugo Chávez geboren wurde. Die Hoffnungen Maracaibo und das Oberbürgermeisteramt von Groß-Caracas zu gewinnen bewahrheiteten sich nicht. Sechs Bundeshauptstädte wechselten die politische Zugehörigkeit ihres Bürgermeisters. Während in Barquisimeto, Valencia, Barinas und Maturín das rechte Wahlbündnis gewann, konnte der Chavismus der MUD nur zwei Hauptstädte abnehmen: San Carlos und Ciudad Bolívar. Insgesamt sank die Anzahl der von der PSUV gehaltenen Bundeshauptstädte von 15 auf 13 während die MUD nun 9 kontrolliert.

Eveling Trejo (MUD) und Ehefrau des ehemaligen Gouverneurs des Bundesstaates Zulia (flüchtig wegen Anklagen aufgrund von Korruption) und bisherige Bürgermeisterin von Maracaibo gewann die Bürgermeisterwahlen mit 51,74% der Stimmen (288.071) gegen Miguel Ángel Pérez Pirela (PSUV) der als politischer Newcomer (eigentlich Sozialwissenschaftler, Philosoph und Moderator eines Politprogramms im Fernsehen) erhielt 46,64% (259.669). In Caracas gewann ebenfalls erneut der leidige bisherige Oberbürgermeister Antonio Ledezma (MUD) mit 690.193 Stimmen gegen Ernesto Villegas. Immerhin sank Ledezmas Stimmenanteil von 52,4% bei den Wahlen 2008 auf 50,8%. Seine Stimmen stammen aus den vier kleineren von der Opposition regierten Hauptstadtmunizipien Baruta, Chacao, El Hatillo und Sucre. Während in Libertador, dem größten Munizip (das was den meisten als Caracas bekannt ist…) der regierende Bürgermeister Jorge Rodríguez (PSUV) mit 54,55% der Stimmen gewann (474.227). Oscar Schemel, Leiter des Umfrageinstituts Hinterlaces – und ganz und gar nicht der Regierung nahestend – hat sich in den vergangenen Jahren als aufmerksamer Analyst gezeigt. Er wies nun darauf hin, der Chavismus habe zwar in den wichtigsten Städten verloren jedoch sei er aber auch in all diesen Städten gewachsen.

Nach liberal-demokratischen Parametern scheint also alles gut zu Laufen. Es ist zweifellos wichtig, dass das Ergebnis so deutlich ausgefallen ist. Dennoch muss die Frage gestellt werden wo die zwei Millionen Stimmen hin sind die Maduro noch im April mehr mobilisieren konnte. Warum konnten sie nicht mobilisiert werden? Angesichts der für alle spürbaren Verbesserungen, den Sozialprogrammen (Misiones), Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, einer halben Million Wohnungen, die im Rahmen der Gran Misión Vivienda vergeben wurden, angesichts einer Opposition, die jeden Tag Ernest ihre Bereitschaft beweist das Land und die Bevölkerung auszuplündern, und angesichts ihrer schrägen RepräsentantInnen, die keine Achtung vor den Wünschen der Mehrheit zeigen, muss gefragt werden warum die Linke immer noch so wenig Stimmen bekommt.

Interessant ist in diversen Orten KandidatInnen gewannen, die sich als chavistisch definieren aber gegen die offiziellen KandidatInnen der PSUV gewannen. Unter ihnen sind Kandidaten, die aus der PSUV ausgeschlossen wurden, aus Basisbewegungen stammen oder von der Kommunistischen Partei oder andren Parteien kommen, welche die Regierung unterstützen. Das bedeutet keineswegs sie seien stets “besser” als die PSUV-KandidatInnen, aber es zeigt auf, dass es möglich ist von der PSUV “durchgedrückte” KandidatInnen mit anderen chavistischen KandidatInnen und popularer Mobilisierung zu besiegen. Gegen die offiziellen PSUV-KandidatInnen gewannen im Bundesstaat Portuguesa in José V De Unda, Oswaldo Zerpa (Tupamaro); in Boconoito gewann Armando Rivas (PCV); in Papelón gewann Alirio Bonilla (Poder Laboral) und in Ospino siegte Carlos Molina (PCV, PRT, CRV und Tupamaro). In Buroz im Bundesstaat Miranda gewann Ramón Gómez (Juan Bimba) und im Bundesstaat Trujillo gewann Luis Parrillo (VBR und Tupamaro) in Sucre und in Juan Vicente Campo Elías gewann José Torrealba (PRT, Juan Bimba y PCV). In Aragua gewann Alcides Martínez (MAS und Juan Bimba) die Wahl in Santos Michelena.

Einheit wird aufgebaut nicht verordnet. Viele Parteien und Gruppierungen haben ihre guten Gründe dafür gehabt bestimmte offizielle KandidatInnen nicht zu unterstützen. Es hat ja auch erneut keine Primärwahlen gegeben, um die KandidatInnen auszuwählen. Es muss aber die Basis sein, die ihre KandidatInnen aufstellt, nicht die Parteiführung. Und sollte es nicht ausreichen, dass die demokratische und populare Logik es so verlangt, kann daran erinnert werden, dass Chávez vor seinem Tod unterstrich die Basis müsse die KandidatInnen für die Kommunalwahlen ernennen. Was ist mit Chávez’ Erbe?
Tatsächlich sind s wenige die FÜR die Opposition stimmen. Die meisten stimmen GEGEN den Chavismus. Die Verwaltung in Venezuela ist weiterhin häufig ineffizient, Korruption ist ein weit verbreitetes Problem und ihre großen finanziellen Ausmaße sind auch Ursache diverser ökonomischer Probleme. Auch wenn mit Nicolás Maduro der Kampf gegen die Korruption intensiviert wurde, ist das allein nicht ausreichend. Auch wenn die Maßnahmen zur Preiskontrolle und im Kampf gegen die Spekulation Resultate gezeigt haben, sind diese nur vorübergehend. Es Bedarf einer Kontinuität und diese können nur die organisierten communities  und die ArbeiterInnen garantieren. 

Venezuela muss sich nun darauf konzentrieren bezüglich der nationalen Produktion Fortschritte zu machen, denn das ist auf mittlere Sicht der einzige Weg die Spekulation und Korruption zu bekämpfen – wenn dabei die populare Partizipation und Arbeiterkontrolle hochgehalten wird. Populare Macht kann nicht übertragen werden, sie wird aufgebaut! Die ArbeiterInnen von Industrias Diana, Lácteos los Andes, ABC Formas usw. sind mit gutem Vorbild vorangegangen. Der sehr positive Aufbau von rätebasierten Comunas muss vertieft werden. Jetzt gibt es mit Reinaldo Iturriza endlich einen Minister für Comunas, der aus den Bewegungen kommt und Bereitschaft sowie politische Vorstellungskraft zeigt. 

Bis Ende 2015 werden nun kene erneuten Wahlen in Venezuela stattfinden (dann kommen die Parlamentswahlen). Es gibt also keine Mobilisierungen denen es zu folgen gilt noch Wahlkampagnen, in die Arbeit investiert werden müsste. Es gibt keine Ausrede mehr. Jetzt ist das Pueblo dran. Nur das Pueblo rettet das Pueblo.

Comuna oder nichts! Populare Macht schaffen und organisieren! Besetzen, produzieren und Widerstand leisten!

 


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