Dario Azzellini zum Beitrag „Das Ende des Bürgerkrieges“, WeltTrends Heft 4/2008 (Nr. 61)

Kolumbien kontrovers

Ich bin geradezu schockiert bin über den Beitrag "Das Ende des Bürgerkrieges" von Ralf Juan Leiteritz, der tendenziös ist, viele Fakten unterschlägt und keine "ausgewogene Einschätzung" ist, wie es der Autor vorgibt. Hier einige der zu kritisierenden Punkte:
Wenn davon gesprochen wird, Uribe habe die absolute Mehrheit erhalten, hätte erwähnt werden sollen, dass dies mit 40 Prozent Wahlbeteiligung geschah. Die Entscheidung über seine Wiederwahl im Parlament war von seiner Partei gekauft worden. Das ist bekannt und es gibt auch schon ein Gerichtsverfahren und auch schon eine Verurteilung deswegen.
Bei der „Demobilisierung“ von 30.000 Paramilitärs hätte wohl noch erwähnt werden sollen, dass nahezu alle Menschenrechtsorganisationen darauf hinweisen, dass nach wie vor etwa 9.000 Paramilitärs bewaffnet sind. Human Rights Watch hat die Demobilisierung als "Farce" bezeichnet. Die Regierung Uribe wusch ihr Image rein; die Paramilitärs konnten Teile ihres Reichtums legalisieren und eine starke Basis in der lokalen Politik aufbauen.
Falsch ist zu sagen, es gäbe keine Nachweise über die Verbindung Uribes zu Paramilitärs. Es gibt nicht nur Aussagen, sondern sogar Filmaufnahmen von Treffen mit Paramilitärs. Und es existiert ein Geheimdienstdokument aus den USA in dem Alvaro Uribe Anfang der 90er Jahre als einer der hundert wichtigsten Drogenhändler Kolumbiens aufgeführt wird: http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB131/index.htm.

Geradezu eine Verhöhung der Opfer ist es von einer Abnahme der Gewalt zu sprechen. Gemäß der Menschenrechtsorganisation Codhes wurden 2007 in Kolumbien 305,966 Menschen vertrieben (85.000 mehr als noch 2006). Insgesamt sind nahezu vier Millionen Kolumbianer auf der Flucht. Damit ist Kolumbien nach dem Kongo das Land mit den meisten Flüchtlingen weltweit. Entsprechend der Nationalen Gewerkschaftsschule ENS wurden bis zum 26.8.2008 im laufenden Jahr in Kolumbien bereits 38 Gewerkschafter ermordet. Das ist einer weniger als im gesamten Jahr 2007. Kolumbien ist damit weltweit das Land mit den meisten ermordeten Gewerkschaftern.

Auf internationales Recht scheint Herr Leiteritz auch nicht viel zu geben, sonst hätte er darauf hingewiesen, dass die Militäraktionen gegen die FARC einen völkerrechtswidrigen Militärangriff auf ecuadorianisches Territorium beinhalteten, wofür Kolumbien von allen lateinamerikanischen Staaten verurteilt wurde. Ähnlich bei der "Befreiung" von Frau Betancourt, bei der Armee im Verstoß gegen internationales Recht Embleme und eine Beteiligung des Roten Kreuzes, des TV-Senders Telesur sowie einer spanischen Nichtregierungsorganisation vortäuschte.
Der Krieg in Kolumbien dauert seit über 50 Jahren an. Er konnte auch nicht mit Unterstützung der USA militärisch beendet werden, weil seine Wurzeln in einer zutiefst ungerechten sozialen Ordnung liegen. Es ist ein Konflikt, der nur politisch zu lösen ist