Ein Film von Dario Azzellini und Oliver Ressler richtet den Fokus auf die Basis der bolivarianischen Revolution in Venezuela

Gesichter einer Revolution

„Wir müssen selbst entscheiden, was wir wollen. Wir sind diejenigen, die die Bedürfnisse kennen und wissen, was in unserer Community los ist“, erklärt Omayra Pérez selbstbewusst. Sie will ihre Community eines an den Hängen von Caracas gelegenen Armutsviertels davon überzeugen, einen Consejo Comunal (Kommunalen Rat) zu gründen. In über 30.000 Consejos Comunales entscheiden die BewohnerInnen Venezuelas selbst kollektiv in Versammlungen über viele Belange ihres Umfeldes.

Diese Macht der Bevölkerung von Unten wird in der Regel kaum erwähnt, wenn in den hiesigen Medien von Venezuela die Rede ist. Immer wieder wird Präsident Chavez in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt. Die gleichen Medien regen sich dann über den Personenkult in Venezuela auf.

In dem 94minütigen Film der  Filmemacher Dario Azzellini und Oliver Ressler hingegen ist Chavez nur auf einigen T-Shirts und  auf einigen Transparenten präsent, die an den Wänden der Gebäude hängen, in denen sich die BewohnerInnen treffen und über die  Consejos Comunales diskutieren. Die Filmemacher führen uns zu drei unterschiedlichen Schauplätzen: In ein Armenviertel in Caracas, in das Armenviertel Petare am Rande von Caracas und das ländliche Barinas. 

Wir sehen immer wieder Menschen in der Diskussion.
Es sind oft sehr intensive Gespräche. Die Menschen, müde von der Arbeit, Bauern noch in Arbeitsstiefeln, nehmen ihr Schicksal selber in die Hand. Es geht  um ihre unmittelbaren Bedürfnisse, die sie erstmals in ihrem Leben selber bestimmen können. Nicht alle sind schnell zu überzeugen. Den Filmemachern gelingt es immer wieder die Blicke der Menschen einzufangen, die dort in halboffenen Landwirtschaftsgebäuden, in Barriohäusern oder in Schulen zusammen sitzen. Junge Mädchen kauen Kaugummi und blicken recht skeptisch drein, wenn ihnen gesagt wird, dass es auf sie selber jetzt ankommt. Auch eine ältere Frau blickt sehr ungeschlossen. Da ist aber auch die Frau, die mit einer flammenden Rede die Menschen davon überzeugt,  dass sie jetzt selber Protagonisten der Veränderung sein können.

Der Blick des alten Bauern

Und da ist der wache Blick eines sehr alten Bauers. Er blickt ganz offen und selbstbewusst  in die Kamera.
In Erzählungen von Subcommandante Marcos aus Chiapas findet man die Geschichten vom alten Antonio, der sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen emanzipiert. An ihn erinnert dieser selbstbewusste alte Mann. Es ist ein Gesicht der bolivarianischen Revolution. Mehr als in allen Texten und Reden, auch in dem Film, wird in an seinem Blick deutlich, die Menschen können sind erstmals selber Subjekt der Geschichte, zumindest in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Es macht den besonderen Reiz des Filmes aus, dass Ressler und Azzellini die Gesichter der Menschen und ihre kleinen Gesten aufnehmen. Da poliert eine Stadtteilaktivistin kurz vor ihrer Rede mit einem Messer noch schnell ihre Fingernägel. Da sind Menschen, denen man ansieht, dass sie es noch nicht gewohnt sind, vor vielen Menschen zu reden. Sie haben erst zu lernen begonnen. Doch, weil sie hier Gleiche unter Gleichen sind, beginnen sie von den kleinen Veränderungen zu reden. Bildung, eine Wasserleitung, die regelmäßige Müllabfuhr, für die meisten MetropolenbewohnerInnen sind es banale, alltägliche Serviceleistungen. Doch für die große Mehrheit der Weltbevölkerung ist es heute noch immer Luxus.

Die Macht im Staat
Es werden natürlich auch die FunktionärInnen der Revolution gezeigt, keine BürokratInnen, sondern junge AktivistInnen, sehr viele Frauen darunter, die mit Che Guevara-Motiven auf T-Shirts und Kappen über den Aufbau einer neuen Gesellschaft reden. Für sie ist die Macht in den Kommunen die Grundlage für die Veränderung des ganzen Staates. Sie geben auch zu, dass es schwierig ist. Zu viele schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit erzeugt beim Zuschauer eine gesunde Skepsis, aber auch die Hoffnung, dass diese Menschen ihre Ziele erreichen.