Chávez vertieft die Transformation

Nach dem von der bolivarianischen Bewegung erfolgreich bestandenen Referendum gibt es Diskussionen über den Kurs der Regierung. Chávez hat die Regierung umgebildet, die Opposition ist sich uneins.

In Folge des gewonnenen Referendums soll der Transformationsprozess in Venezuela vertieft werden. Neben der bereits von Präsident Hugo Chávez angekündigten Politik, ihr Land brach liegen lassende Grossgrundbesitzer gemäss dem Gesetz zu enteignen, wurden diverse Minister ausgewechselt und ein Ministerium für Wohnungsbau neu geschaffen. Ex-Informationsminister Jesse Chacón wurde vergangenen Freitag als neuer Innen- und Justizminister vereidigt, Andrés Izarra rückte dafür als Kommunikations- und Informationsminister nach, und Julio Montes übernahm das Wohnungsbauministerium. Chávez forderte den neuen Innen- und Justizminister auf, «die Hölleneinrichtungen zu demontieren, die die Gefängnisse darstellen (. . . ) und in Orte zu verwandeln, in denen menschliche Wesen wie menschliche Wesen leben». Im «Kampf gegen die Kriminalität», so Chávez, seien einige Fortschritte erzielt worden, allerdings handle es sich um ein komplexes Unterfangen, das hauptsächlich damit verknüpft sei, die Ursachen der Kriminalität zu beseitigen und mehr Schulen zu errichten, Sport und weitere Leistungen anzubieten, die der Mehrheit bisher vorenthalten wurden. Ein Schwerpunkt sei auch die Bekämpfung der Korruption.

Das neue Wohnungsbauministerium soll «eine Revolution durchführen» in den verschiedenen staatlichen Institutionen für Wohnungsbau, da diese, so Chávez, «weiterhin an alte Paradigmen und veraltete Strukturen» geknüpft seien. Andrés Izarra, der neue Kommunikations- und Informationsminister, kündigte eine «aggressive Stärkung » der Staatsmedien sowie eine stärkere Unterstützung der Alternativ- und Gemeinschaftsmedien an. «Wir wollen der Bevölkerung die Macht verleihen, eine eigene Kommunikation zu produzieren.»

Basis will mitreden

Eine Vertiefung der Transformation wird auch von den Basisorganisationen verlangt, die den bolivarianischen Prozess stützen. So fordern viele, dass sich die von den Regierungsparteien ernannten KandidatInnen für die Kommunalwahlen einer Bestätigung durch die Basis stellen müssten. Die Debatte um die KandidatInnen dürfte sich in den nächsten Wochen weiter intensivieren, nachdem der Direktor des Nationalen Wahlrates (CNE), Jorge Rodríguez, am Freitag die Verschiebung der Gouverneurs- und Kommunalwahlen angekündigt hat. Die ursprünglich für den 26. September vorgesehenen Abstimmungen sollen nun am 31. Oktober abgehalten werden. Für die Verschiebung wurden vom CNE technische Gründe angegeben. Die Zahl der Wahllokale soll aufgestockt und die Zahl der insgesamt vorhandenen Wahltische, aktuell 12 000 im ganzen Land, verdoppelt werden. Ausserdem sollen 4000 zusätzliche elektronische Wahlmaschinen, die beim Referendum gegen Chávez erstmals zum Einsatz kamen, erworben werden.

Beim Referendum nahmen zahlreiche WählerInnen aus Armenstadtteilen nicht teil, da sich aufgrund der geringen Dichte von Wahllokalen in marginalisierten Vierteln Schlangen mit Wartezeiten von bis zu 16 Stunden gebildet hatten. Während die Opposition eine Verschiebung der Wahlen gefordert hatte, sprachen sich die Regierungsparteien und Basisorganisationen für die Beibehaltung des ursprünglichen Termins aus. Die Opposition hofft, sich in der gewonnenen Zeit auf gemeinsame KandidatInnen zu einigen und ihre Position zu verbessern. Die RegierungsanhängerInnen wollten hingegen den Mobilisierungsschwung des Referendums ausnutzen.

Opposition uneins

Die Opposition befindet sich nach dem verlorenen Referendum in einem desolaten Zustand. Die Mobilisierungen gegen den vermeintlichen Wahlbetrug blieben weitgehend erfolglos, die «Demokratische Koordination», die trotz des Namens auch die Organisatoren des Putsches unter ihrem Dach vereint, scheint faktisch nicht mehr existent. Die Ex-Regierungsparteien Acción Democrática (AD) und Copei sowie die unter anderem von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützte Partei Primero Justicia (PJ), die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist, haben beschlossen, an den Wahlen teilzunehmen, während einige andere Parteien weiterhin den Betrugsvorwurf ins Zentrum stellen und die internationale Gemeinschaft, allen voran Jimmy Carter und die Organisation Amerikanischer Staaten, einer Verschwörung zu Gunsten Chávez beschuldigen und deshalb nicht an den Wahlen teilnehmen wollen. Tatsächlich geht es AD, Copei und PJ darum, verschiedene Posten zu erhalten, während sich die anderen Parteien keine Chancen bei den Wahlen ausrechnen.

Auch im Unternehmerverband Fedecamaras, dessen Ex-Vorsitzender Pedro Carmona sich während des Putsches selbst zum Präsidenten erklärte, zeichnen sich Unstimmigkeiten ab. Der Verband wechselte in verschiedenen Erklärungen nach dem Referendum mehrmals die Position und stellte schliesslich mehrere Bedingungen für die Aufnahme von Gesprächen mit der Regierung. Darunter die Rücknahme diverser Gesetze, wie etwa das Landgesetz. Dies wurde von Chávez kategorisch zurückgewiesen, da es nicht um Verhandlungen gehe, sondern um das Angebot an den Verband, mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Die von Fedecamaras vertretenen maximalistischen Positionen und die grundlegende Oppositionshaltung stossen jedoch auf immer grösseren Widerstand innerhalb des Verbands selbst, da viele Unternehmer nach dem eindeutigen Resultat des Referendums lieber dazu übergehen würden, sich wieder hauptsächlich um ihre Geschäfte zu kümmern.

Auch innerhalb der Reihen der Chávez-AnhängerInnen gilt es in den nächsten Wochen zahlreiche Widersprüche zu klären, um an vielen Orten mehrere Kandidaturen aus den bolivarianischen Reihen zu vermeiden und damit auch das Risiko, wie bei den vergangenen Wahlen Kommunen zu verlieren, weil sich die chavistischen Stimmen auf mehrere KandidatInnen verteilen.