Danilo Anderson ermittelte gegen die Putschisten. Jetzt ist er tot.

Terror in Venezuela

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche zerriss eine Bombe in Caracas das Auto des venezolanischen Staatsanwalts Danilo Anderson. Der 38jährige war Staatsanwalt für Umweltkriminalität und befugt, auch in anderen Fragen Anklage zu erheben. In der von der rechten Opposition zur Regierung des Präsidenten Hugo Chávez dominierten Justiz war er einer der wenigen, die gegen die in den Putsch 2002 verwickelten Mächtigen aus Wirtschaft und Politik ermittelten. Er erhob Anklage gegen die oppositionell geleitete Polizei der Hauptstadt, die beim Putsch mehrere Personen tötete und gegen Capriles Radonksy, Bürgermeister eines wohlhabenden Distrikts von Caracas, der damals den Sturm auf die kubanische Botschaft anführte. Vor wenigen Wochen begann Anderson damit, die 400 Unterzeichner des Selbstermächtigungsdekrets des Putschpräsidenten Carmona Estanga zu Verhören vorzuladen. In einem Interview Ende September erklärte er, Morddrohungen erhalten zu haben, da er es wage, gegen «die in Venezuela existierende Gesellschaft der Unberührbaren» vorzugehen. Der Anschlag wurde von allen politischen Parteien Venezuelas verurteilt.
Nach ersten Ermittlungen wurde ein Sprengsatz unter dem Vordersitz seines Wagens deponiert, der ferngesteuert oder über Andersons Mobiltelefon gezündet wurde. Die Attentäter besassen scheinbar detaillierte Informationen über die Bewegungen des Staatsanwaltes, der die meiste Zeit über Personenschutz verfügte. Mit dem Anschlag erlangt der Terror gegen den Transformationsprozess eine neue Qualität. In den vergangenen Jahren wurden etwa 130 Aktivisten regierungsnaher Bewegungen, meist Bauernführer, ermordet.

Weitere Drohungen

Kommunikations- und Informationsminister Andrés Izarra sprach von einem «politischen Mord zur Einschüchterung der Justiz» und verlangte von der US-Regierung Aufklärung bezüglich diverser Gruppen mit Sitz in den USA, die offen verkünden, Terroranschläge in Venezuela vorzubereiten. Darunter auch das «Comando F4», eine Organisation von Exilkubanern, die in Florida Ausbildungslager unterhält und sich mit dem Training venezolanischer Oppositioneller schmückt. Dazu gehört auch die Ausbildung zum Umgang mit Fernzündern. Vizepräsident Vicente Rangel forderte Ermittlungen im Falle des venezolanischen TVJournalisten Urdaneta, der aus Miami in einer Fernsehsendung erklärte, die Probleme Venezuelas würden «mit einem Gewehr mit Zielfernrohr gelöst», der Befehl für ein Attentat auf Chávez sei schon erteilt worden. Am Tag nach dem Anschlag versammelten sich spontan Tausende vor der Staatsanwaltschaft, wo der Sarg von Anderson aufgebahrt wurde. In Sprechchören forderten sie immer wieder eine Säuberung der Staatsanwaltschaft und der Justiz.
In einer Fernsehansprache versicherte Präsident Hugo Chávez, die Täter würden gefasst. «Der Mord an Danilo Anderson ist der Versuch, diesen Prozess zu ermorden, den Traum und die Hoffnung der Mehrheit der Venezolaner zu ermorden.» Während Chávez diplomatisch reagierte, kocht in der Bevölkerung die Wut. In Sprechchören forderten DemonstrantInnen die Verhaftung aller Putschunterstützer und riefen zur Volksbewaffnung auf. Sollte die venezolanische Justiz nicht schnell handeln, könnte der Druck der Basis weiter zunehmen.