Venezuela: Massiver Betrug bei Unterschriftensammlung gegen Präsident Chávez

Gezinkte Abstimmung

Vier Tage lang sammelte die venezolanische Opposition Unterschriften für ein Referendum gegen Präsident Hugo Chávez und 33 ihn unterstützende Abgeordnete. Doch es waren die Regierungsanhänger, die am Montag abend auf den Straßen der Hauptstadt feierten. Sie hatten eine Woche zuvor erfolgreich mehrere Millionen Unterschriften gegen 37 oppositionelle Abgeordnete zusammen- getragen. Zwar erklärte Oppositionsführer Henry Ramos Allup in einem Interview, auch in »seiner« Aktion seien vier Millionen Unterschriften gesammelt worden, allerdings scheint die Opposition selbst nicht an dieses Ergebnis zu glauben. Dem Aufruf des oppositionellen Gouverneurs Enrique Mendoza, den »Sieg« auf den Straßen zu feiern, folgte niemand. Die Straßen der oppositionellen Viertel blieben so leer wie die Unterschriftensammelstellen in den Tagen zuvor. Infrastrukturminister Diodado Cabello erklärte im Namen der Beobachter der Regierung, die Opposition habe weniger als zwei Millionen Unterschriften zusammengebracht. Dabei seien die gefälschten noch nicht einmal abgezogen worden. Somit seien weit weniger als die zur Durchführung einer Volksabstimmung über Chávez notwendigen 2,4 Millionen Unterschriften erreicht worden.

Begleitet war die Unterschriftensammlung von zahlreichen Hinweisen auf massive Betrugsmanöver. Bereits am Sonntag gab der Regierungsabgeordnete Juan Barreto bekannt, bei der Leitung der Unterschriftenkampagne der Chávez-Anhänger seien über 5 000 Beschwerden eingegangen; diese würden sowohl dem Nationalen Wahlrat (CNE) wie auch der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt werden. So sei eine Vielzahl »umherreisender Unterzeichner« von einer Sammelstelle zur anderen gefahren, um möglichst oft zu unterschreiben. Auch wurden bei Stichproben 200 Verstorbene ausgemacht, die in den Listen als Unterzeichner auftauchten. Laut Barreto sollen im Büro der Ex-Regierungspartei Acción Democrática in El Paraíso gefälschter Personalausweise ausgegeben worden sein, um so mehrfach abzustimmen. Aus zahlreichen Krankenhäusern wurde berichtet, daß Oppositionelle versuchten, von Patienten eine Unterschrift zu erzwingen – unter der Drohung, sie bekämen ansonsten keine weitere medizinische Behandlung. Zudem wurden mehrere Personen mit einer größeren Anzahl gefälschter Personalausweise oder Unterschriftenlisten ungeklärter Herkunft verhaftet.

Freddy Bernal, Bürgermeister des größten Hauptstadtdistrikts El Libertador, berichtete vom Fund einiger Kisten mit insgesamt 30 000 ungültigen Unterschriften, die Oppositionelle in die Sammlung einführen wollten.

Eine Gruppe von 52 Beobachtern aus 35 Ländern, darunter diverse Parlamentarier, überreichten dem CNE eine Erklärung, in der sie diverse Unregelmäßigkeiten bei der Unterschriftensammlung monierten. Dabei betonten sie ausdrücklich den erkennbaren politischen Willen der Regierung, den Verlauf der Sammlung reibungslos zu gestalten. Den Beobachtern sei aber an nahezu allen besuchten Sammelstellen die Existenz von Parallelunterlagen aufgefallen, die nicht vom CNE ausgegeben wurden und deren Zweck von der Opposition nicht erläutert werden konnte. Darunter waren Kärtchen, auf dem sich die unterschreibende Person mit ihrem Fingerabdruck identifizieren sollte – ein illegaler Mechanismus zur Überprüfung der Teilnahme an der Unterschriftensammlung. Hinzu kamen kleine Zettel, auf denen die Identität der Person, die Nummer des Tisches und der jeweiligen Liste eingetragen wurden. Die Beobachter berichteten auch von Computern in Sammelstellen oder ihrer unmittelbaren Nähe, die entgegen der Direktiven des CNE von der Opposition benutzt wurden. Auffällig sei ebenso eine massive Nutzung der Listen aus festen Sammelstellen für die Sammlung von Unterschriften von Tür zu Tür gewesen, wofür diese nicht vorgesehen gewesen seien. Zumal eine derart starke Unterschriftensammlung in den Haushalten gar nicht zu beobachten gewesen sei. Die Beobachter berichteten ferner davon, an allen besuchten Sammelstellen Personen getroffen zu haben, auf die Druck ausgeübt wurde, um ihre Unterschrift zu erzwingen, etwa durch Entlassungsdrohungen. Der neue Dachgewerkschaftsverband UNT legte zahlreiche Beschwerden von Arbeitern vor, die von ihren Unternehmern zum Unterschreiben gezwungen wurden. Darunter waren auch transnationale Konzerne wie Coca Cola oder Kia.

Der Nationale Wahlrat beschränkte sich darauf anzukündigen, es werde allen Beschwerden nachgegangen, dafür sei eigens eine Richterkommission gegründet worden. Die Überprüfung der Listen wird voraussichtlich bis Ende Dezember dauern.