Nikaragua: Hintergründe zum Beitritt der Sandinistas zur Sozialistischen Internationale
Spagat zwischen Opposition und Kooperation mit der Regierung
Der eine oder andere mag aufgehorcht haben, als Nikaraguas Sandinistas – zunächst als Beobachter – in die Sozialistische Internationale aufgenommen wurden. Bis zu ihrer Wahlniederlage 1990 präsentierte sich die FSLN als homogener Block. Als in diesem Jahr jedoch erstmals die Leitungen der Bezirksgruppen gewählt wurden, erhielten vielerorts lokale Aktivisten den Vorzug vor den Kandidaten, die „von oben“ vorgeschlagen worden waren. Mittlerweile erkennt man drei Strömungen in der Partei:
Die Basis der Vertikalisten um Daniel Ortega, die an den hierarchischen Strukturen der FSLN festhalten und sich als Antiimperialisten und Antikapitalisten sehen, liegt in den Gewerkschaften. Ihr Versuch, einerseits die Interessen der Bevölkerung zu verteidigen, andererseits mit der Regierung gegen die extreme Rechte zusammenzuarbeiten, stößt jedoch oft auf Unverständnis. Einmal ruft Daniel Ortega zum Kampf gegen die Regierung auf, wenige Tage später versucht er, streikende Arbeiter zu beschwichtigen.
Noch freundschaftlicher ist das Verhältnis der Zentralisten zur Regierung. Zu ihnen zählt Verteidigungsminister Humberto Ortega. Sie sind sozialdemokratisch ausgerichtet und halten eine Zusammenarbeit mit der Regierung für notwendig, um eine sozialere Politik durchzusetzen. Allerdings verfügt dieser Flügel nicht über eine nennenswerte Basis. Besonders umstritten ist Humberto Ortega selbst, Besitzer eines 250000-Dollar-Luxuswagens. Er verlieh Anfang dieses Jahres dem US-amerikanischen Oberst Quinn die Ehrenmedaille Camilo Ortega – eine Geste, durch die er die Beziehungen zu den USA zu verbessern hoffte. Doch die Verleihung dieser Medaille, sonst vergeben für besondere Verdienste im Krieg gegen die Contra, ausgerechnet einen US-Militär können ihm viele nicht verzeihen.
Humberto Ortega setzt auf die Professionalisierung der stark reduzierten Armee, die er weitgehend „entpolitisieren“ möchte. Als es Ende Juli in Managua bei Protestaktionen ehemaliger Militärs zu heftigen Auseinandersetzungen und Schießereien kam, die mehrere Verletzte forderten, beschimpfte er die Ex-Soldaten als Banditen und Terroristen. Hunderte gaben daraufhin ihre Medaillen zurück.
Von Vertikalisten und Zentralisten ging der Druck zum Beitritt der FSLN zur Sozialistischen Internationale aus, der im Frühjahr im Eilverfahren, gegen den Widerstand der Basis, beschlossen wurde. Kritisiert wurde dies vor allem vor allem von der dritten Strömung, den Erneuerern oder Radikalen. Bei diesen findet sich die unzufriedene Parteibasis wieder, die für eine Demokratisierung, gegen die hierarchischen Strukturen der FSLN und gegen die Selbstbereicherung vieler Kader wendet. Ihre Basis sind die sozialen Bewegungen, an denen sie sich auch politisch orientieren. „Das beste ist, wenn wir in allen Kämpfen drinstecken und sie voran treiben und nicht irgendwo die Parteihegemonie auszuüben versuchen“, so Silvio Prado, einer der prominentesten Erneuerer. „Bis jetzt haben wir zwar kein Programm und keine Kandidaten für die nächsten Wahlen 1996, aber die FSLN hat Hunderte fähiger Leute“, sagt Prado. „Eins ist klar: Es müssen neue Kandidaten her. Die jetzige nationale Leitung kann und wird sie nicht mehr stellen.“
Mangels anderer starker Organisationen bleibt die FSLN trotz aller Probleme und Differenzen die einzige Alternative zur konservativen U.N.O.-Regierung. Wie groß allerdings der Spielraum für eine künftige FSLN-Regierung wäre, entscheidet sich unter anderem bei den USA-Präsidentschaftswahlen.