Paramilitärs wollen zukünftig lieber legal morden

Klimawechsel mit Gänsehaut

Und jetzt soll alles anders werden. Kolumbiens paramilitärische Verbände, mehrheitlich vereint in der Dachorganisation AUC, verkündeten zum 1. Dezember einen einseitigen Waffenstillstand. Insgesamt schlossen sich 95% der kolumbianischen Paramilitärs an.

Die AUC erklärte ihre Bereitschaft, Friedensgespräche mit der Regierung aufzunehmen, die von der katholischen Kirche, der Organisation Amerikanischer Staaten und der UNO begleitet werden sollen. Dafür wollen die Paramilitärs als politische und militärische Akteure in dem kolumbianischen Konflikt anerkannt werden. Das war bislang aus gutem Grund von Guerillas, Gewerkschaften, Basis- und Menschenrechtsorganisationen strikt abgelehnt worden. Geht es nach den Paramilitärs, soll der "Friedensprozess" auch auf die Freilassung ihrer 1.000 inhaftierten Mitglieder hinauslaufen. Zugleich fordern sie den Staat auf, die Guerilla nicht in die von ihnen "befreiten Gebiete" zu lassen, und behalten sich andernfalls vor, "in Notwehr zu reagieren".

Bereits während der letzten fünf Jahre hatte die AUC jeweils zur Weihnachtszeit einen Waffenstillstand verkündet. Allerdings folgten darauf stets neue Massaker an der Zivilbevölkerung. Etwa im Januar 1999, als innerhalb eines Monats über 200 Personen von Paramilitärs ermordet wurden.

Das Angebot der AUC war mit Unterstützung der katholischen Kirche zustande gekommen, die traditionell als rechtsextrem gilt und eng mit der kolumbianischen Oligarchie verflochten ist. Aus Rom ließ man verlauten, die Ankündigung der Paramilitärs spiegele "einen Klimawechsel in Kolumbien wider". Bislang erst inoffiziell hat die US-Regierung erklärt, man "unterstütze die kolumbianische Regierung bei ihrem Versuch, der Gewalt ein Ende zu setzen". Auch von der kolumbianischen Regierung unter Präsident Uribe war noch keine offizielle Stellungnahme zu dem Angebot der Paramilitärs zu hören. Aber einige der Regierung nahe stehende Persönlichkeiten haben bereits ihre Zustimmung geäußert.

Präsident Alvaro Uribe hat ohnehin enge Verbindungen zum Paramilitarismus. AUC-Führer hatten zur Wahl Uribes aufgerufen, und während der Wahlkampagne befanden sich manche Wahlkampfbüros Uribes direkt in den Camps der Paramilitärs. Als Gouverneur von Antioquia hatte Alvaro Uribe Vélez im Rahmen seiner Kampagne "Wohlstand, Fortschritt und Frieden" die schwerbewaffnete, halbprivate, aber vom Militärgeheimdienst aufgebaute Killertruppe "Convivir" gefördert. "Convivir", was zynischerweise "Zusammenleben" heißt, zwang während Uribes Amtszeit über 200.000 Menschen zur Flucht und ermordete Tausende. Sie machten sich dermaßen vieler Menschenrechtsverbrechen schuldig, dass sie Ende 1997 offiziell verboten wurden (woraufhin sie kurzerhand mit AUC-Paramilitärs fusionierten). Noch heute brüstet sich Uribe jedoch damit, in "seiner" Region für Ruhe gesorgt zu haben. "Friedhofsruhe" wäre wohl die treffendere Bezeichnung für das Terrorregiment der rechtsextremen Paramilitärs.

Menschenrechtsorganisationen sowie linke Organisationen und Basisbewegungen befürchten jetzt, dass die Paramilitärs faktisch in neu entstehende, an die Armee angebundene Strukturen überführt werden sollen, während ihre Menschenrechtsverbrechen ungestraft bleiben. Immerhin sind sie für über 70% der Menschenrechtsverbrechen verantwortlich; zehntausende KolumbianerInnen sind von Paramilitärs brutal ermordet worden, und gerade die AUC-Paramilitärs sind dafür bekannt, dass sie ihre Opfer nicht selten bei lebendigem Leib mit Motorsägen zerstückeln oder mit ihren Köpfen vor der versammelten Dorfgemeinschaft Fußball spielen.

Im Laufe der Jahre vertrieben die Paramilitärs so über eine Million Menschen, und ihre Anführer eigneten sich Millionen Hektar Land an. Seit dem Amtsantritt Uribes sind sie nun um Seriosität und öffentliche Anerkennung bemüht. Erst im Juli verkündete AUC-Führer Carlos Castaño, es gäbe wohl einen kleinen Teil der paramilitärischen Gruppen, die in Drogengeschäfte und Menschenrechtsverletzungen verwickelt seien. Von diesen habe man sich aber inzwischen getrennt. Gleichwohl ist allgemein bekannt, dass die AUC heute etwa 70% der gesamten Drogenexporte Kolumbiens kontrolliert und sich überwiegend daraus finanziert.

Die Integration der Paramilitärs könnte über das von Uribe initierte "Bauernsoldaten-Programm" verlaufen: In wenigen Wochen sollen 10.000 Bauern bewaffnet werden und, ähnlich dem türkischen oder guatemaltekischen Modell, zu "Dorfschützern" ausgebildet werden, die der Armee unterstehen. Die ersten 380 haben just in dieser Woche in der Region Santander trotz der vehementen Kritik von Menschenrechts- und Campesino-Organisationen ihren Dienst angetreten. Eben dieses Vorgehen hatte die US-amerikanische Rand Corporation schon vor zwei Jahren vorgeschlagen, als sie den kolumbianischen Konflikt im Auftrag der US-Luftwaffe analysierte.

Für die USA ist all das von Interesse, weil so die Militärhilfe für Kolumbien weiter erhöht werden kann, ohne dass man sich ständig Kritik wegen der Zusammenarbeit von Armee und Paramilitärs einhandelt. Doch ob Uribe, der US-Regierung und der AUC dieser Plan gelingen wird, hängt nicht zuletzt auch vom Widerstand dagegen in Kolumbien und international ab.