Im Zuge der weltweiten Anti-Terror-Kampagne geraten auch die kolumbianischen Guerillas ins Visier der USA

Taliban im Caguán

Ich weiß, dass unser Beistand im Kampf Kolumbiens das Gegenstück zu Ihrem Beistand für das amerikanische Volk in diesen schwierigen Zeiten ist. Ich hoffe mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um dieser schwierigen Herausforderung zu begegnen." Das erklärte US-Präsident George W. Bush Ende Oktober in einem Brief an den kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana, in dem er sich für das Mitgefühl nach den Anschlägen vom 11. September bedankte.

Noch zu Beginn des Jahres hatte die rechte Rand Corporation, eine Stiftung des Flugunternehmens Douglas, in einem Bericht über Kolumbien für die US-Airforce geschrieben, im Falle eines Scheiterns der Drogen- oder Aufstandsbekämpfung der Regierung Pastrana müssten sich die USA entscheiden, entweder einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust hinzunehmen oder ihr Engagement im Konflikt weiter zu steigern. Dieser Fall scheint nun im Schatten des Krieges gegen Afghanistan eingetreten zu sein.

Philip Reeker, ein Sprecher des US-State Departments, schloss auf Nachfrage zwar eine direkte Militärintervention der USA in Kolumbien aus. Doch zugleich betonte Francis Taylor, der so genannte Anti-Terrorismus-Koordinator der gleichen Behörde, am 15. Oktober auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington DC, dass "terroristische Organisationen" in Kolumbien ebenfalls Ziel der "Anti-Terrorismus-Kampagne" der USA sein würden.

In Kolumbien und anderen Ländern Lateinamerikas werde eine ähnliche Strategie verfolgt wie in Afghanistan. Hinsichtlich der Guerillas und der Paramilitärs "werden wir alle in unserer Macht stehenden Ressourcen und wenn nötig auch militärische Gewalt anwenden, um ihre Aktivitäten zu stoppen". Da die Ernennung eines Staatssekretärs für Lateinamerikafragen durch die Bush-Regierung ausblieb, kam Taylor in den vergangenen Monaten eine zentrale Rolle in der Kolumbien-Politik der USA zu.

In Kolumbien selbst transformierte die US-Botschafterin Anne Patterson die vorgegebene Linie bei einem Auftritt vor dem Kongress der Nationalen Föderation der Händler (Fenalco) Ende Oktober in einen Vergleich zwischen den Taliban und den kolumbianischen Guerillas und Paramilitärs. "Im Unterschied zu den Terroristen in Afghanistan haben die kolumbianischen Gruppen zwar keine direkte globale Reichweite. Doch jede dieser Gruppen übt Terrorismus gegenüber den Kolumbianern aus und schwächt die Fundamente der ältesten Demokratie Lateinamerikas", so Patterson.

Die Botschafterin äußerte auch die Sorge, dass Taliban-Drogenhändler sich nach Kolumbien absetzen könnten, um von dort aus den Heroinhandel in die USA aufrechtzuerhalten. Doch die USA würden Kolumbien im Kampf gegen den Drogenhandel nicht alleine lassen, so Patterson weiter, die militärische Hilfe werde fortgesetzt und aufgestockt: "Vor Ende des Jahres werden noch weitere zehn Blackhawk-Hubschrauber nach Kolumbien geliefert und Anfang des nächsten Jahres weitere 25."
"Jede dieser Gruppen in Kolumbien ist tief in den Drogenhandel verstrickt. Jede hat enorme Einnahmen aus dem Drogenhandel. Jüngst haben auch die AUC den gleichen Weg eingeschlagen", begründete die US-Botschafterin das Engagement gegen die Guerillas und die Forderung nach einer Auslieferung ihrer Vertreter in die USA.

Dabei spielt die Drogenökonomie nur bei den Paramilitärs eine zentrale Rolle, und zwar von Beginn an. Die Verwicklung der AUC (Vereinte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens) mit der kolumbianischen Oligarchie und dem Militär in den Drogenhandel ist wiederholt nachgewiesen worden.

Vielleicht hat deshalb die US-Regierung ihren ehemaligen geheimen Verbündeten AUC in diesem Jahr in ihre "Terrorliste" aufgenommen. Direkte Folgen hatte das bisher jedoch nicht. Bei dem Think Tank Rand Corporation lässt sich jedoch ein Vorschlag nachlesen, der durchaus mit der offiziellen Distanz kompatibel ist: "Ein Netzwerk überwachter Selbstverteidigungsorganisationen gemäß dem peruanischen Modell könnte eine Alternative zu den illegalen Gruppen bilden."
Die Ankündigungen von Anne Patterson kommen zudem just in einem Moment, in dem die Gespräche zwischen der Regierung und der größten Guerilla, der Farc, ins Stocken geraten sind. Erst Mitte Oktober verlängerte die Regierung die Frist zur Entmilitarisierung der von der Farc kontrollierten, 42 000 Quadratkilometer großen Zone im Süden Kolumbiens, des Caguán, nachdem die Situation zunächst zu eskalieren drohte.

Die Armee war in das entmilitarisierte Gebiet eingedrungen und hatte zwei Farc-Mitglieder erschossen, während die Regierung die Farc der Entführung und Ermordung einer ehemaligen Ministerin beschuldigte.
Doch bereits wenige Tage später geriet der ohnehin ergebnislose Gesprächsprozess erneut in eine Krise, als sich die kolumbianische Regierung weigerte, das Überfliegen der Zone mit Militärflugzeugen einzustellen. Aus der kolumbianischen Armee und rechten Kreisen Kolumbiens wurden wieder Stimmen laut, die sich für eine militärische Lösung einsetzten.

In den vergangen Jahren hatten die USA wiederholt und mehr oder weniger offen mit einem direkteren Eingreifen gedroht. Bislang ist die US-Army jedoch nicht einmarschiert. Das heißt allerdings nicht, daß die USA auf ihre Präsenz in dem Konflikt verzichten würden. Aktuell befinden sich nach Angaben des Pentagon zwischen 175 und 200 US-Militärs in Kolumbien, die der kolumbianischen Armee als Berater im "Kampf gegen Drogen" beistehen, sowie weitere 100 Agenten der CIA und der Antidrogenbehörde DEA.
Zudem sind 15 000 US-Soldaten verschiedener Einheiten im vergangenen Jahr auf die angrenzenden Staaten außer Venezuela und Länder der Karibik verteilt worden. Ergänzt werden die US-Militärausbilder von mindestens acht privaten Kriegsunternehmen verschiedener Herkunft - vornehmlich aus den USA -, die in Kolumbien aktiv sind.

Doch auch ein anderes Engagement sollte stutzig machen. Allein von Januar bis September 2001 wurden bei der Handelskammer von Bogotà 1 515 neue Nichtregierungsorganisationen registriert. Die US-Botschafterin Anne Patterson äußerte gegenüber der rechten kolumbianischen Zeitung El Tiempo, die USA habe allein 80 NGO entlang des Flusses Putumayo finanziert, die mit der Aufgabe betraut seien, die Auswirkungen der Besprühungen zu beobachten, die aus der Luft auf Mensch und Natur erfolgen.
Eine Aufgabe, für die wohl kaum eine solche Vielzahl von NGO notwendig scheint, zumal das vom Chemiekonzern Monsanto unter dem Markennamen Round-up vertriebene Herbizid Glyfosat, das in Kolumbien eingesetzt wird, nachweislich zu schweren gesundheitlichen Schädigungen bei der betroffenen Bevölkerung, zur umfassenden Vernichtung jeglichen Anbaus und zur Verseuchung von Quellen und Gewässern führt.

Wie in Vietnam ist der Einsatz von Herbiziden und Pestiziden Bestandteil einer Kriegspolitik der verbrannten Erde. Es ist daher davon auszugehen, dass viele der NGO Teil der Aufstandsbekämpfung sind, die soziale Basis der Guerilla zersetzen und zugleich ein dichtes Spitzelnetz im Dienste der US-Army und der kolumbianischen Armee bilden sollen.


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