Faschistische Drahtzieher sollten in der Nachbarschaft bekannt gemacht werden

Antifa-Bündnis gegen Nazi-Parade

Am Wochenende fanden im gesamten Bundesgebiet Demonstrationen und Kundgebungen statt, die bis nächsten Sonntag fortgesetzt werden sollen. Antifaschisten wurden vor Ort gegen die Verantwortlichen der rechten Propaganda-Veranstaltung "Rudolf-Heß-Marsch" aktiv. 43 Gruppen aus über 35 Städten und Regionen schlossen sich in dem Bündnis "Aktion '94" zusammen, das aus den Gruppen der "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO) sowie unabhängigen Antifa-Gruppen besteht. Lokal riefen weitere Organisationen, darunter die PDS, zur Teilnahme auf. Ziel der Aktionen ist die Verhinderung der seit sechs Jahren stattfindenden Nazi-Parade zu Ehren des ehemaligen Hitler-Stellvertreters. Da in den letzten Jahren tausende Antifas immer wieder von der Polizei davon abgehalten wurden, den zentralen Marsch zu verhindern, beschloß die antifaschistische Bewegung indiesem Jahr dezentral vorzugehen.

 In Berlin demonstrierten am Samstag trotz strömenden Regens über 1000 Personen unter dem Motto "Die faschistischen Strukturen aufdecken und angreifen". Die Demonstration richtete sich gegen den Berliner Nazi Arnulf Priem, einen der Hauptorganisatoren des "Rudolf-Heß-Marsches" und Schlüsselfigur der bundesdeutschen Nazi-Szene. Die Demonstration sollte ursprünglich zum Haus Priems führen, diese Route wurde jedoch von der Polizei untersagt, da Priem "an den Pranger gestellt werden sollte" und auf der Demonstration keine Gelegenheit bekäme, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Organisatoren der Demonstration bezeichneten die Begründung als skandalös. Die Polizei scheine ein Rederecht für Faschisten auf Antifa-Kundgebungen fordern zu wollen.

 Die Demo war Teil der bundesweiten Kampagne "Aktion '94" und wurde von den Berliner Gruppen der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation gemeinsam mit unabhängigen Antifa-Gruppen organisiert, auch einige PDS-Bezirksverbände riefen zur Teilnahme auf.

Vereinzelt polizeiliche Übergriffe in Berlin

 Die Demonstration durch Prenzlauer Berg und Wedding verlief trotz zahlreicher Provokationen der Polizei weitgehend ohne Zwischenfälle. Bereits kurz nach Beginn der Veranstaltung zogen die Polizeikräfte ein Spalier auf, welches die Demonstration bis zum Ende begleitete. Als Begründung wurde die "Vermummung" einiger Demonstranten mit Mützen und Sonnenbrillen angegeben. Das Argument, die teilnehmenden Personen seien nach Filmaufnahmen von faschistischen Übergriffen bedroht, ließ die Polizei nicht gelten. Trotz zahlreicher Morde, Anti-Antifa und Listen wie "Einblick", in denen Personen aus dem antifaschistischen und antirassistischen Spektrum mit Namen, Adresse und teilweise Foto aufgeführt werden, meinte der Einsatzleiter vor Ort, die "Vermummung" sei nicht nachvollziehbar, es seien schließlich keine Fälle einer Gefährdung bekannt.

 Bereits im Vorfeld der Demonstration wurden sechs Antifas festgenommen. Nach Abschluß der Veranstaltung kam es zu vereinzelten Übergriffen der Polizei: Bevorzugt Antifaschistinnen wurden in brutalen Einsätzen und mit fadenscheinigen Begründungen festgenommen. Bereits während der Demonstration hatten sich verschiedene Polizisten Pressevertretern gegenüber sehr aggressiv verhalten und deren Arbeit behindert.

 Im Berliner Stadtteil Wedding nahm die Polizei im Haus Arnulf Priems 25 Personen fest. Diese hatten zum Teil vorher vom Dach des Hauses Journalisten mit Stahlkugeln beschossen und mit verschiedenen Gegenständen beworfen. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden laut Polizei Propagandamaterial und Waffen beschlagnahmt.

 In Antifa-Kreisen wird die Festnahme Priems als Reaktion auf die Demonstration gewertet. Die Polizei versuche aufzuzeigen, daß sie "etwas gegen Priem unternehme". Ob die Festnahme allerdings schwerwiegende Folgen für Priem haben wird, bleibt abzuwarten. Bisher hatte Priem den besonderen Schutz der Polizei und Justiz genießen können und war sogar gerngesehener Gast am Schießstand der Freiwilligen Polizeireserve (FPR). Selbst ein Gerichtsverfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes ging glimpflich für ihn aus.

 Bereits am Donnerstag hatte etwa 50 Antifas in Frankfurt am Main den NAPH-Pressedienst blockiert, der eine Brükkenfunktion zwischen Konservativen und Faschisten inne hat. Am Freitag demonstrierten in Düsseldorf 600 Personen gegen die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei.

 In Bonn zogen 300 Personen in die Nähe des Hauses von Norbert Weidner, eines Mitorganisators des "Rudolf-Heß-Gedenkmarsches". Die Polizei hatte eine Demonstration direkt vor dem Haus verboten, da diese die "physische Bewegungsfreiheit" Weidners einschränken würde. Währenddessen befand sich Weidner unter den randalierenden Nazis in Luxemburg.

  Über 1000 Antifas in Leipzigs Innenstadt

 In Leipzig versammelten sich am Samstag etwa 1000 Demonstranten. In Wernigerode im Harz, im westsächsischen Crimmitschau und im brandenburgischen Velten fanden ebenfalls Aktionen gegen Faschismus statt, an denen jeweils zwischen 300 und 700 Menschen teilnahmen. In Bremen wurde ein antifaschistischer Informationsstand von der Polizei angegriffen und es kam zu 17 Festnahmen. Eine anschließende Protestdemonstration wurde ebenfalls von Polizeibeamten gewaltsam aufgelöst. Die Antifas wurden, nach Berichten von Augenzeugen, gezielt auf den Kopf und in den Unterleib
geschlagen, es gab weitere 23 Festnahmen. Die Begründung der Polizei: Wenn keine Faschisten demonstrieren dürften, hätten auch keine AntifaschistInnen dazu das Recht.

 Im gesamten Rhein/Main-Gebiet fanden am Samstag morgen Blockaden gegen führende Mitglieder der faschistischen Szene statt. In Aschaffenburg wurde eine Demonstration mit etwa 350 Teilnehmern von einem starken Polizeiaufgebot begleitet.

 Die Pressestelle der Aktion '94 bewertete das dezentrale Aktionskonzept als Erfolg, dadurch "wurden die faschistischen Kader teilweise vor Ort gebunden und die Regionen waren über die Bewegungen der Faschisten enau informiert". Es wurde auch auf die massiven Behinderungen und Auflagen seitens der Polizei bei allen von antifaschistischen Gruppen angekündigten Aktionen hingewiesen. Es hätte sich so bei den dezentralen Aktionen gezeigt, "daß Polizei und Staat entgegen ihrer sonstigen Behauptungen durchaus wissen, welche Faschisten wo leben und wie sie vor AntifaschistInnen und der
Öffentlichmachung ihrer faschistischen Arbeit in ihrem Nachbarschaftsumfeld zu schützen sind".

 Aktion '94 hatte schon im Vorfeld einen Großteil der Busunternehmen in der BRD angeschrieben und aufgefordert keine Faschisten zu befördern. Nach Informationen ihrer Pressestelle befördert mittlerweile die Firma Jung aus Karlsruhe als einziges bundesdeutsches Busunternehmen Nazis quer durch Europa.

 Die Veranstaltungen im Rahmen der Aktion '94 werden bis zum kommenden Sonntag fortgesetzt, da weiterhin mit massiven Aktionen durch Nazis zu rechnen ist.

 Informationen: Pressestelle der Aktion '94, Tel.: 0228/737042d