Genua: Vorwürfe gegen Demonstranten verpufft - Carabinieri belastet

Juristische Aufarbeitung

Von den Anschuldigungen gegen die AktivistInnen, welche während des G8 im vergangenen Juli in der Schule A. Diaz von der Polizei überfallen wurden, ist nichts übrig geblieben.

Die Schule war in der Nacht zum 22. Juli von Sondereinheiten (NOCS) der italienischen Polizei und Carabinieri brutal gestürmt worden. Von den 93 in dem Gebäude anwesenden Personen mussten über 60 auf Krankentragen, in blutdurchtränkte Tücher gewickelt, heraus getragen werden: Sie waren so schwer misshandelt worden, dass sie nicht mehr laufen konnten. Einige von ihnen waren ins Koma geprügelt worden, mehrere Personen wurden lebensgefährlich verletzt.

Ermittelt wird jetzt dafür gegen 77 an dem Einsatz beteiligte Beamte wegen Körperverletzung und in 25 Fällen wegen der Fälschung von Beweismitteln und übler Nachrede. Die offizielle Begründung für die Räumung und das brutale Vorgehen stützte sich auf vermeintliche nächtliche Steinwürfe auf Polizeiwagen aus dem Gebäude, eine Messerattacke auf einen Beamten bei Eintritt in die Schule und dort aufgefundene Molotow-Cocktails. Alles Angaben, die während der Ermittlungen keine Bestätigung fanden.

Dafür stellten aber mehrere Gutachter fest, dass der vermeintlich von einem G8-Gegner in der Diaz-Schule mit einem Messer attackierte Beamte log. Die im Eingangsbereich gefundenen Brandflaschen wurden Stunden vorher von einem Beamten auf der Straße gefunden und von den eingesetzten Polizisten gezielt in der Schule platziert. So sollten die sich dort aufhaltenden Personen kriminalisiert und das Genoa Social Forum als Schutzpatron der Ausschreitungen präsentiert werden. Der Versuch misslang, und mittlerweile geht die Genueser Staatsanwaltschaft davon aus, dass das Vorgehen von der nationalen Polizeiführung geplant wurde. Fraglich ist allerdings, ob die Verantwortung nicht noch in viel höheren Sphären liegt, schließlich war auch Vize-Premier Gianfranco Fini von der rechtsextremen AN während der Tage in der Polizeieinsatzzentrale vor Ort. Und auch der damalige Innenminister Claudio Scaloja profilierte sich rund um Genua als Hardliner. Er rechtfertigte alle Polizeieinsätze, und obwohl die höchste politische Verantwortung für das Desaster bei ihm lag, wies er jede Rücktrittsforderung kategorisch zurück. Mittlerweile musste er seinen Rücktritt allerdings auf Grund einer anderen Affäre nachholen.

Auch bezüglich der ebenfalls in der Nacht zum 22. Juli "irrtümlich" erfolgten Durchsuchung der Räume des Genua Social Forum und des Media Centers gegenüber der Diaz-Schule scheint sich ein juristisches Nachspiel anzubahnen. Dort hatte die Polizei systematisch die Computer zertrümmert und die Festplatten ohne Beschlagnahmeprotokolle faktisch entwendet. Gegen die etwa 20 beteiligten Einsatzkräfte wird wegen Sachbeschädigung und Diebstahl im schweren Fall ermittelt. Doch auch die Ermittlungen gegen die DemonstrantInnen gehen weiter. Etwa 300 offene Verfahren stehen im Moment noch aus.