Präsident Venezuelas beschloss Enteignung

Papierfabrik in Arbeiterhand

Per Dekret hat der venezolanische Präsident Hugo Chávez dieser Tage das Papierunternehmen Venepal enteignet.

Venepal, vor zehn Jahren noch mit 1800 Beschäftigten der größte Papierhersteller Lateinamerikas, hatte Anfang Dezember 2004 Konkurs angemeldet. Danach begann der Eigner, die Fabrik nach und nach zu demontieren.

Das Unternehmen im Bundesstaat Carabobo, vier Autostunden westlich der Hauptstadt Caracas gelegen, soll nun von Staat und Beschäftigten gemeinsam betrieben werden. Dafür hatten bis zuletzt 350 Arbeiter und ihre Familien gekämpft.

Der Konflikt entbrannte bereits 2003, als die betriebliche Papierindustriegewerkschaft Sutip davor warnte, die Unternehmensleitung versuche, das Werk in den Konkurs zu treiben. Der US-Papierkonzern Smurfit, der Anteilseigner bei Venepal geworden war, wolle die Produktion nach Kolumbien verlegen. Im September schloss der Besitzer das Werk. Seither stehen die Maschinen still, nur die Stromverteilung für eine kleine Siedlung arbeitet weiter. Die Arbeiter besetzten daraufhin den Betrieb und forderten eine Nationalisierung unter ihrer Kontrolle.

Nach dem Insolvenzantrag kam dem die Exekutive jetzt nach. Sie verkündete ein Dekret zur Enteignung der Güter und Immobilien von Venepal und seiner Filialen. Dies liege im öffentlichen Interesse, da Venezuela schon jetzt einen Großteil des im Land benötigten Papiers importieren muss.

Mit Hilfe eines Sofortkredits soll die Produktion nun unter Leitung der Beschäftigten möglichst schnell wieder anlaufen. Edgar Peña, Generalsekretär der Gewerkschaft Sutip, befürchtet indes Sabotageakte und hat um Unterstützung durch die Nationalgarde gebeten. Zu schützen gibt es viel. Das 5000 Hektar große Gelände beherbergt außer der Fabrik auch eine werkseigenen Wohnsiedlung, eine Schule, ein Baseballstadion, ein Hotel, Wasseraufbereitungsanlagen und einen kleinen Flughafen.

Präsident Chávez sprach jetzt von einem Ausnahmefall und beteuerte, dass niemand um seinen Besitz fürchten müsse. Die Regierung werde lediglich geschlossene und verlassene Unternehmen enteignen und wieder aufbauen. Dies ist ein Hoffnungsschimmer für andere Betriebe, darunter die Nationale Ventilfabrik und die Parfümproduktion Cristine Carol, die ebenfalls von den Eigentümern aufgegeben und von den Arbeitern besetzt wurden.

Kritiker befürchten, Venezuela werde dem »kubanischen Modell folgen«. Dem entgegnete Chávez: »Wir importieren kein Modell nach Venezuela, wir erfinden hier unser eigenes.« Ziel der Regierung ist der Aufbau einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur, um eine eigenständige Entwicklung zu ermöglichen. Derzeit ist Venezuela stark von den Erdölexporten abhängig, während gut 70 Prozent der Lebensmittel und nahezu alle anderen Güter des täglichen Gebrauchs importiert werden müssen.


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