Venezuelas Wahlrat verschiebt Entscheidung über Gültigkeit von Unterschriftenlisten

Klare Kräfteverhältnisse

Am Montag nachmittag sollte der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) das Ergebnis der Überprüfung der von der Opposition gesammelten Unterschriften für ein Referendum gegen Präsident Hugo Chávez bekanntgeben. Angesichts der gespannten Lage blieb die Verkündung allerdings aus. Vermutet wird, daß nur 1,9 Millionen der angeblich über drei Millionen Signaturen anerkannt wurden. Die übrigen sollen einer öffentlichen Überprüfung unterzogen werden. Demnach würden aktuell über 520 000 Unterschriften fehlen, um das erforderliche Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten zu erreichen. Die öffentliche Überprüfung wird vom 18. bis 22. März an eintausend Standorten im ganzen Land stattfinden. Die Büros sollen während dieser Tage täglich zehn Stunden geöffnet haben, damit alle Bürgerinnen und Bürger die eigenen Daten überprüfen können.

Für die Einhaltung der Verfassung und für die Souveränität Venezuelas demonstrierten am Sonntag in Caracas bis zu drei Millionen Unterstützer der Regierung. Selbst einige internationale Nachrichtenagenturen, die der Regierung Chávez gegenüber gemeinhin kritische Positionen einnehmen, sprachen von einer beeindruckenden Manifestation. Andere, wie etwa die Deutsche Welle, phantasierten die Teilnehmerzahl auf 100 000 herunter und sprachen von Zusammenstößen zwischen Regierungsanhängern und Oppositionellen.

Nachdem sich die Entscheidung des CNE bereits am Freitag abgezeichnet hatte, begannen kleine Gruppen der Opposition hingegen mit Gewaltakten. Die ehemaligen Regierungsparteien Copei (konservativ) und AD (sozialdemokratisch) heizten die Stimmung an, indem sie zum Aufstand und zu Gewalt aufriefen. Aus dem Lager der Chávez-Gegner werden inzwischen immer unverhohlener ein neuer Militärputsch und eine Intervention der USA in Venezuela gefordert. An den Gewaltaufrufen war federführend auch die Partei »Primero Justicia« beteiligt. Dabei handelt es sich um eine Abspaltung der konservativen Copei, die Hilfe von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung erhält. In der jW-Redaktion ging am Dienstag eine E-Mail einer oppositionellen Gruppe ein, die ein Schlaglicht auf die Haltung der Chávez-Gegner wirft. »Ja zum Referendum«, hieß es darin drohend: »Wenn nicht: Plan B!«

Inzwischen wurden neue Details über die gewaltsamen Zusammenstöße der letzten Tage bekannt. Am Rande der Demonstration von etwa 3 000 Personen am vergangenen Freitag hatten bewaffnete Teilnehmer unter der Führung der PJ die Zentrale der Chávez-Partei »Bewegung Fünfte Republik« (MVR) gestürmt und Feuer gelegt. In dem Gebäude ist auch das »Comando Ayacucho« untergebracht, ein Gremium, das eine Unterschriftensammlung gegen die Opposition organisiert hatte. Vor allem im wohlhabenden Osten der Hauptstadt hatten kleine Gruppen immer wieder zentrale Straßen und Teile der Stadtautobahn mit brennenden Autoreifen und Fahrzeugen blockiert. An verschiedenen Orten wurde auf Mitglieder der Nationalgarde geschossen. Einige der Schützen sollen Polizeieinheiten aus von der Opposition kontrollierten Bezirken von Caracas angehört haben. Mindestens zwei von ihnen wurden von der Nationalgarde verhaftet, wobei Handgranaten sichergestellt wurden. Zu den Gewalttätern gehörte auch die ehemals maoistische Gruppe »Bandera Roja« (Rote Fahne), die heute den bewaffneten Stoßtrupp der Opposition bildet. Mitglieder dieser Gruppe hatten am Freitag nachmittag die Zentraluniversität (UCV) gestürmt, um von dort aus das Feuer auf die Autobahn zu eröffnen. Am Freitag abend dann verlagerten sich die gewaltsamen Ausschreitungen von etwa 150 Oppositionellen in die Innenstadt. Entgegen vorhergehenden Medienberichten waren die beiden Toten an diesem Tag nicht Opfer der Zusammenstöße mit der Nationalgarde.