„Demokratische Opposition“ setzt auf Terror und Verleumdung

Chávez bleibt Präsident in Venezuela

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hat das Referendum, das die Opposition gegen ihn anstrengte, klar gewonnen und kann somit sein Mandat bis Januar 2007 zu Ende führen. Schon das erste vom Präsidenten des Nationalen Wahlrates (CNE) in Venezuela, Francisco Carrasquero, verkündete Ergebnis, das am 16. August gegen 4:00 Uhr Ortszeit bekannt gegeben wurde, war eindeutig. Demnach votierten 58,25 Prozent gegen seine Amtsenthebung und 41,74 Prozent dafür. Nach dem amtlichen Endergebnis lag die Option des „Nein“ zu der Amtsenthebung bei 59,25 Prozent (5.800.629 Stimmen), während 40,74 Prozent (3.989.008) gegen ihn stimmten.

Von Dario Azzellini

Die Wahlbeteiligung lag mit fast 70 Prozent relativ hoch. Im Dezember 1999, als Chávez erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, hatte sie knapp 45 Prozent betragen. Daher konnten viele Wahllokale nicht wie vorgesehen um 16:00 Uhr Ortszeit schließen, sondern teilweise erst nach 24:00 Uhr. Insgesamt verlief der Wahltag relativ ruhig, auch wenn bei Zwischenfällen drei Personen starben und fünf verletzt wurden. In einigen Bundesstaaten wurden Personen mit gefälschten CNE-Ausweisen oder dem Besitz mehrerer Personalausweise festgenommen.
Die Opposition gab sich bis zuletzt siegessicher, obwohl nahezu alle Umfragen einen klaren Sieg von Chávez prognostizierten. Während bereits am Tag nach der Wahl Vertreter der Opposition in Caracas von Wahlbetrug sprachen, bestätigten sowohl der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter als auch zahlreiche weitere internationale Beobachter das Votum. Nur der rechtsgerichtete Expräsident Kolumbiens, César Gaviria, zeigte sich als Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unzufrieden. Allerdings nicht mit dem Verlauf, sondern mit dem Ergebnis. Schließlich musste auch er ebenso wie die rund einhundert weiteren Beobachtermissionen in Venezuela, den „transparenten und fairen“ Verlauf des Referendums bestätigen.

Mit dem Ergebnis unzufrieden zeigte sich auch die Opposition. Auf einer Pressekonferenz des Bündnisses „Demokratische Koordination“ erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete Henry Ramos Allup, die Opposition würde die Ergebnisse nicht anerkennen. Untersuchungen des oppositionellen Unternehmens „Súmate“ hätten ergeben, dass 59,4 Prozent für die Absetzung Chávez gestimmt hätten. Ein solches Vorgehen war von vielen Beobachtern erwartet worden. Während die Regierung bereits im Vorfeld immer wieder erklärte das Ergebnis anzuerkennen, konnte sich die Opposition zu keiner solchen Aussage durchringen.

Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse feierten Hunderttausende in den Straßen Venezuelas den Sieg des Präsidenten Hugo Chávez. Diverse Basisorganisationen richteten sich sogleich gegen den „Dialog“, der nun nach den Vorstellungen des Carter-Zentrums und der OAS zwischen Opposition und Regierung stattfinden sollte. Als Chávez nach der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses in Caracas vor Anhängern die Opposition zur Mitarbeit aufrief, wurde er von der Menge mit Pfiffen bedacht. Der Präsident erklärte in einer ersten Ansprache: „Von heute an bis Dezember 2006 beginnt eine neue Etappe der bolivarianischen Revolution, um den sozialen Missionen Kontinuität zu verleihen, wie auch dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Marginalisierung und Armut. (...) Wir werden dieses neue ökonomische und politische Modell konsolidieren, das darauf ausgerichtet ist, die Bedürfnisse aller Venezolaner zu befriedigen“. Es gehe nicht nur um einen Präsidenten, so Chávez, sondern um ein alternatives Modell zum Neoliberalismus. Eine Vertiefung des bolivarianischen Prozesses ist aufgrund des starken Drucks von der Basis zu erwarten. Auch dürften die bolivarianischen Kräfte bei den Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen Ende September ihre Position deutlich konsolidieren. Bisher befinden sich immer noch zahlreiche Bundesstaaten und Rathäuser in den Händen der Opposition, viele von ihnen hatten sogar ursprünglich auf dem chavistischen Ticket kandidiert und dann die Seiten gewechselt. Augenblicklich fordern Teile der Opposition allerdings eine Verschiebung der Wahlen.

Ebenso deutet auf eine Vertiefung des Prozesses hin, dass die politischen „Kommandos“, die im Vorfeld des Referendums von Tür zu Tür gezogen waren, um für das „Nein“ im Referendum zu werben, aufrechterhalten werden sollen.
„Betrug, Betrug!“, rief die venezolanische Opposition direkt nach dem Referendum, während alle internationalen Beobachter einen fairen und transparenten Verlauf der Abstimmung bestätigten. Die US-Administration, die in den vergangenen Jahren der Opposition in jedem ihrer Schritte, von der Verleumdung bis zum Putsch, politisch und finanziell zur Seite stand, antwortete etwas entnervt, die Opposition möge Beweise für den Wahlbetrug vorlegen oder den Sieg Chávez akzeptieren. Auf Drängen des Carter-Zentrums und der OAS willigte der Nationale Wahlrat Venezuelas schließlich ein und organisierte eine Anhörung, bei der die Opposition ihre Vorwürfe vortragen sollte. Zusätzlich wurden die Ergebnisse von 150 zufällig ausgesuchten Wahlmaschinen mit den auf Papier ausgedruckten Wahlbestätigungen abgeglichen.

Doch die Opposition erschien nicht. Enrique Mendoza, schwergewichtiger und aggressiver oppositioneller Gouverneur, erklärte, der Umfang des Wahlbetrugs sei so groß, dass die Opposition nicht an der Anhörung teilnehmen werde, da diese das Problem nicht lösen könne. Die Opposition will ihre, eigentlich absehbare, Niederlage nicht wahrnehmen. Ihrer Ansicht nach seien die elektronischen Wahlmaschinen auf eine Höchstzahl von Stimmen für Chávez geeicht gewesen, in Wirklichkeit hätten sich 60 Prozent der Wähler gegen Chávez entschieden. Doch ausgerechnet bei den auf Papier abgegebenen Stimmen, 897 025 an der Zahl, haben sich 70,54 Prozent für Chávez entschieden und nur 29,46 votierten zu Gunsten seiner Amtsenthebung. Und die Überprüfung der 150 Wahlmaschinen ergab eine Fehlerquote von 0,02 Prozent.
Henrique Salas Römer, Oppositionsführer der Partei Proyecto Venezuela, erklärte daraufhin: „Das Volk hat mit Ja gestimmt, aber die internationale Gemeinschaft mit Nein“ und warf der „internationalen Gemeinschaft“ vor an einem Wahlbetrug im großen Stil beteiligt gewesen zu sein.

Nach dem eindeutigen Wahlsieg legte am 18.8. auch die The New York Times in einem Editorial der Opposition nahe endlich aufzuhören „zu behaupten im Namen der Mehrheit der Venezolaner zu sprechen“. Auch die internationale Presse ließ sich lange hinters Licht führen und propagierte die Mär der Opposition, verbreitet durch ihre mediale Übermacht, Chávez habe keine Mehrheit in der Bevölkerung.

In den vergangenen Jahren versuchte die Opposition ihren Anhängern immer wieder weiszumachen, der Sturz Chávez’ stünde kurz bevor, er habe keine Mehrheit, er sei international isoliert, es sei nur noch eine Frage von Tagen, bevor er abtrete. Doch ergeht es ihr zunehmend wie Peter in der Geschichte mit dem Wolf. Die eigene Basis läuft auseinander. Immer mehr Angehörige der oberen Mittelschicht und der Oberschicht sehen zu, wie sie es sich am besten mit Chávez einrichten können.
Entsprechend dürftig ist die Mobilisierungsfähigkeit. Dem Aufruf zu Protesten folgte kaum jemand. Am Montag blockierten etwa 150 bis 200 Unbelehrbare einen Verkehrsknotenpunkt im wohlhabenden Stadtteil Caracas’ Altamira und riefen „Betrug, Betrug“.
Der Unternehmerverband Fedecamaras hingegen, der den Putschpräsidenten Pedro Carmona zum Vorsitzenden hatte, erkannte das Ergebnis an und setzt auf „Versöhnung“. Geld stinkt eben nicht, auch chavistisches nicht.

Im bunten Haufen der Opposition werden nun in der nächsten Zeit weitere Differenzen deutlich werden. Die alteingesessenen Ex-Regierungsparteien Acción Democrática (AD) und Copei, die über Geld und Parteiapparat verfügen, werden sich auf die Lokal- und Gouverneurswahlen im September konzentrieren, in der Hoffnung, dort noch einige Pfründe zu sichern. So hat AD ihre Teilnahme an den Wahlen bereits angekündigt und wichtige Copei-Führer bezeichneten die Nicht-Teilnahme an den Wahlen als „großen Fehler“. Andere, wie die politischen Newcomer und von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützten rechten Hardliner von Primero Justicia hingegen werden weiterhin auf medienwirksame Aktionen und Verschwörungen setzen.

Eine Ruhepause für die bolivarianische Revolution bedeutet dies dennoch nicht. Große Teile der Opposition werden weiter an der gewaltsamen Absetzung Chávez’ arbeiten. Der Aufbau einer venezolanischen Contra, fußend auf kolumbianischen Paramilitärs und in Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Armee, Exilkubanern und oppositionellen Venezolanern, wird voranschreiten. Schon Mitte Mai wurden auf dem Gut eines Exilkubaners am Stadtrand von Caracas und in der Umgebung 130 kolumbianische Paramilitärs in venezolanischen Militäruniformen verhaftet (vgl. ila 276), die militärische Operationen in Venezuela und die Ermordung Hugo Chávez´ vorbereiteten.

Sicher werden auch terroristische Anschläge und selektive Morde weiter zunehmen. Wie damals in Nicaragua ist das Ziel nicht der militärische Sieg, sondern die Destabilisierung. In Maracaibo im Parteisitz der oppositionellen „Bewegung zum Sozialismus“ MAS, deren Politik nicht viel mit dem Namen zu tun hat, fand die Geheimpolizei Disip nach einem anonymen Anruf Sprengstoff, Metallrohre, Nägel und Flugblätter einer vermeintlichen „Bolivarianischen Guerilla-Front“, die in den Luftschächten des Gebäudes versteckt waren. Nach Ermittlungen der Disip sollte der Sprengstoff für Anschläge auf Einkaufszentren benutzt werden. Vertreter der MAS wiesen jede Verantwortung zurück und beschuldigten die Disip das Bombenmaterial dort versteckt zu haben. Erst vor wenigen Wochen wurden bei einer Hausdurchsuchung im Bundesstaat Carabobo 40 kg C-4-Sprengstoff sichergestellt.

Der Weg der Gewalt wurde auch vom sozialdemokratischen venezolanischen Ex-Präsidenten Carlos Andrés Pérez bestätigt, der in einem Interview mit dem kolumbianischen Radiosender Caracol eine Woche nach dem Referendum versicherte, es bleibe nun nur noch die Gewalt, um Chávez zu stürzen: „Ich bin weiterhin ein Mann des Friedens und demokratischer Mittel”, so Pérez, der als Präsident 1989 den Volksaufstand Caracazo blutig niederschlagen ließ, „aber in Venezuela sind uns alle Türen zum Frieden verschlossen worden und es bleibt uns nichts anderes als andere Mittel zu benutzen, um zum Frieden zu gelangen.” Bereits in der Woche davor hatte er dazu aufgerufen „Chávez muss wie ein Hund sterben, er verdient es, mögen es diese noblen Tiere verzeihen”, und er versicherte „das gesamte Land” sei dabei sich zu organisieren, um Chávez zu stürzen.