Sein Bruder Vicente, heimlicher Führer der Paramilitärs in Kolumbien, meldet sich zu Wort

Carlos Castaño lebt

In einem Interview mit dem kolumbianischen Wochenmagazin «Semana» erklärte Vicente Castaño, sein angeblich im April vergangenen Jahres unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommene jüngerer Bruder und langjähriger militärischer Oberkommandant der Paramilitärs, Carlos Castaño, sei noch am Leben.

Vicente Castaño wiederholte auch die bereits mehrmals von anderen Paramilitärchefs gemachte Aussage, 35 Prozent der kolumbianischen Abgeordneten stünden politisch den Paramilitärs zu Diensten. Zudem betonte er, nicht bereit zu sein, auch nur einen einzigen Tag im Gefängnis zu verbringen oder sich an die USA ausliefern zu lassen. Er schlug vor, die demobilisierten Paramilitärs in offizielle oder private Repressionsorgane zu integrieren.

Die Regierung des rechtsextremen Präsidenten Alvaro Uribe verhandelt seit Januar 2003 mit den Paramilitärs der AUC. Dafür wurde um die Ortschaft Santa Fé de Ralito im Bundesstaat Cordoba im Juni 2004 eine Zone von 368 km² geschaffen, in der sich die Paramilitärführer mit 400 bewaffneten Kämpfern sammelten. Dort geniessen sie Immunität gegenüber Haftbefehlen. In Folge der öffentlichen Verlautbarungen des heimlichen Chefs der Paramilitärs forderten verschiedene kolumbianische Politiker, die Gespräche mit der AUC vorerst auszusetzen. Der Zeitpunkt der Aussagen Castaños ist nicht ganz zufällig. Der kolumbianische Kongress soll in den nächsten Tagen über ein Gesetz bezüglich des Straferlass für Paramilitärs entscheiden. Der Gesetzesentwurf unterscheidet sich dabei deutlich von der Version, die im Februar der internationalen Gemeinschaft vorgelegt wurde, die sich besorgt über eine eventuelle Straffreiheit für Paramilitärs gezeigt hatte.

Gegen Vicente Castaño besteht pikanterweise auch ein aus Deutschland stammender internationaler Haftbefehl. Dieser wurde bereits im Jahr 1989 ausgestellt, da Vicente Castaño 650 Kilogramm Kokain nach Deutschland eingeführt haben soll. Während 16 weitere Personen verhaftet und teilweise verurteilt wurden, konnte der älteste Bruder des Castaño-Clans der deutschen Polizei entkommen. Auf Nachfrage bestätigte ein Sprecher des LKA München, der Haftbefehl sei weiterhin gültig und das LKA an einer Verhaftung Castaños interessiert. Auf Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, sind nach wie vor 90000 Euro ausgesetzt.