Das Modellprojekt „Ökologisches Jahr“ soll eingestellt werden

„Mach dir mal keine Sorgen...“

Das im Juli 1993 in Berlin als Modellprojekt des Senats gestartete „Ökologische Jahr“ steht kurz vor dem Aus. Da der Haushaltsausschuß des Senats von den zur Finanzierung des Projekts notwendigen zehn Millionen DM nur fünf Millionen genehmigte, wurde den Jugendlichen, ungeachtet ihrer teilweise länger laufenden Verträge, ein Ende ihrer Tätigkeit zum 30. Juni diesen Jahres mitgeteilt.

Im Rahmen des Projektes „Jugend mit Zukunft - Senatsprogramm gegen Gewalt“ arbeiten in Berlin 390 Jugendliche in Öko-Läden, Fahrradwerkstätten und Jugendprojekten. Für viele, die keinen Ausbildungsplatz bekommen konnten, war dies die einzige Chance, ein eigenes Leben aufzubauen. Sie erhalten 1200 DM monatlich vom Senat. „Wir arbeiten völlig unterbezahlt. Das Geld reicht kaum zum Leben, da wir davon auch noch die Hälfte der Beiträge für Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zahlen müssen“ , erklärt Nicole, die in einer Fahrradwerkstatt beschäftigt ist. „Aber besser als nichts ist es allemal“.

Eigentlich hatte der Träger des „Ökologischen Jahres“, das Institut für Sozialforschung und Betriebspädagogik e.V. (ISB) mit den Jugendlichen Halbjahres- oder Jahresverträge abgeschlossen - die halbjährigen mit Option auf Verlängerung. Doch das zählt jetzt nicht mehr. Schließlich enthält jeder dieser Verträge eine Vorbehaltsklausel, nach der der gesamte Vertrag nur Gültigkeit hat, „wenn genügend zusätzliche Mittel fließen“.

Die Jugendlichen fühlen sich hintergangen und betrogen. So zum Beispiel Markus. Vor nicht einmal zwei Wochen, als die ersten Gerüchte über das drohende Aus für das Öko-Jahr umhergingen, fragte er den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen in einer „Bürgersprechstunde“ nach dem Stand der Finanzierung. Diepgen antwortete, er solle sich da mal keine Sorgen machen. Die macht er sich aber mittlerweile sehr wohl, denn wie sollte er in so kurzer Zeit einen neuen Job finden, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Die verschaukeln uns doch“, so Markus. „ISB und der zuständige Senat für Frauen und Arbeit geben uns keine klare Antwort. Sie sagen immer nur, sie seien guter Hoffnung und es täte ihnen ja auch leid“. Gründe, den Aussagen der Behörden zu glauben, haben die Jugendlichen in der Tat wenige. Noch am 2. Februar schrieb der Senat für Frauen und Arbeit: „Das Ökologische Jahr bleibt fester Bestandteil des Berliner Arbeitsmarktes `95 und `96“. Die Jugendlichen werden nun offensichtlich hingehalten. Schon jetzt scheint klar zu sein, dass das Öko-Jahr am 30. Juni enden soll und die Verträge dann vorzeitig abgebrochen werden. Falls es 1996 wieder ein Öko--Jahr geben sollte, haben die 390 aktuell betroffenen Jugendlichen keine Chance, im Programm aufgenommen zu werden. Das aber will niemand so richtig zugeben. Mit schönen Worten versuchen Vertreter des Senats, die Betroffenen ruhig zu halten.

Auch das ISB blockt und verweigert den Jugendlichen unter Berufung auf den Datenschutz die Herausgabe vieler wichtiger Telefonnummern. Während die Telefonnummern der Jugendlichen weitergegeben werden, erhalten die nicht einmal die Nummern verschiedener Pädagogen des Projekts. Mittlerweile kocht die Stimmung. „Wir lassen uns doch nicht einfach so abspeisen und schweigen auch noch!“ sagen Markus, Nicole und viele andere einhellig. Sie haben sich bereits zusammengesetzt und erste Forderungen gestellt:

- Die Einhaltung der laufenden Verträge und der mündlich zugesicherten Vertragsverlängerungen.

- Ausstellung eines Zertifikats über die geleistete Arbeit.

- Aufklärung über die wirklichen Gründe der Streichung des Ökologischen Jahres.

- Freigabe aller wichtigen Telefonnummern an die Jugendlichen.