Der lange Marsch hat begonnen: Am Samstag machte sich eine EZLN-Delegation auf den Weg zum Präsidenten Fox

Zapatisten unterwegs

Wer versöhnliche Worte erwartet hatte, sah sich getäuscht. Als sich am vergangenen Samstag Abend 23 Comandantes und der Subcomandante Marcos der EZLN in San Cristobal von rund 10 000 Sympathisanten verabschiedeten, um eine zweiwöchige Tour nach Mexiko-Stadt zu beginnen, sprachen sie Klartext. Lediglich einen »Frieden der Lüge« biete der neue Präsident Vicente Fox an. Die zapatistische Basis, die aus den Dörfern in das Kolonialstädtchen im Hochland des südmexikanischen Bundesstaates Chiapas gekommen war, applaudierte. Bereits auf einer Pressekonferenz im Rebellenhauptquartier La Realidad hatte Subcomandante Marcos überzogene Friedenserwartungen gedämpft. »Wir werden auf dieser Reise keinen Friedensvertrag unterzeichnen. Wir werden versuchen, die Erfüllung der Bedingungen zu erreichen, die für die Wiederaufnahme von Gesprächen notwendig sind«, erklärte er.

Die Delegation tingelt nun, begleitet von Tausenden von Sympathisanten und Journalisten, auf dem Landweg durch ganz Südmexiko, bis sie am 10. März in Mexiko-Stadt eintreffen wird - wenn alles gut geht. Auf dem Weg wird die zapatistische Delegation an zahlreichen Kundgebungen und Diskussionen teilnehmen, darunter auch am III. Indigenen Nationalkongress (CNI). Da der Rechtspopulist Fox bei den Wahlen im vergangenen Jahr die über 70 Jahre regierende, abgewirtschaftete Partei der Institutionalisierten Revolution (Pri) ins politische Nirwana geschickt und dabei nebenbei auch die parlamentarische Linke an die Wand gedrückt hat, scheinen die erneute Mobilisierung der mexikanischen Linken und die Stärkung der sozialen Bewegungen im Land die eigentlichen Gründe der Reise zu sein.

In Mexiko-Stadt wollen die Zapatistas vor den Kongressabgeordneten ihren Standpunkt zur Gesetzesinitiative über »indianische Rechte und Kultur« darlegen. Die Verabschiedung des auf einem Abkommen von 1996 basierenden Gesetzespaketes durch den mexikanischen Kongress gehört neben der Auflösung von sieben mitten im zapatistischen Gebiet gelegenen Militärcamps und der Freilassung von über hundert inhaftierten Zapatistas zu den Bedingungen, die die EZLN an eine Wiederaufnahme der Gespräche mit der Regierung geknüpft hatte.

Aber knapp drei Monate nach dem Amtsantritt von Fox sind sie keineswegs erfüllt. Das Abkommen wurde zwar schon im Dezember vom Präsidenten in den Kongress eingebracht, aber dort stößt es auf erbitterten Widerstand aus den Reihen von Fox' Partei der Nationalen Aktion (Pan). Nur die knappe Hälfte der Gefangenen wurde freigelassen, die anderen traten vergangene Woche in den Hungerstreik. Die mit großem Presserummel angekündigte Entmilitarisierung hat sich bisher eher als Farce erwiesen. Nahezu alle kurzfristig beseitigten Straßensperren sind wieder installiert worden, und von den sieben Militärcamps, die nach dem Willen der Zapatistas aufgelöst werden sollen, sind erst vier geräumt worden. Weitere 252 Militärcamps in Chiapas, in denen über 60 000 Soldaten stationiert sind, stehen ohnehin nicht zur Disposition.

In der Öffentlichkeit gibt sich Präsident Vicente Fox aber weiterhin als Friedensbringer und Indianerfreund. »Wenn der wirkliche Kampf um die Rechte unserer Indianer geht, dann befinden wir uns im gleichen Kampf«, begrüßt Fox die ungewöhnliche Reise der Zapatistas in die Hauptstadt. Manche Mitglieder seiner rechtskatholischen Partei würden die Zapatistas dagegen lieber auf dem Weg in die ewigen Jagdgründe sehen als auf dem Marsch in die Hauptstadt. Die Zapatistas seien »Vaterlandsverräter« und verdienten die Todesstrafe, meinte der Pan-Gouverneur Ignacio Loyola aus dem Bundesstaat Queretaro kürzlich.

Was sich anhört wie eine Kontroverse, ist nur scheinbar eine. Im Grunde geht es Fox, den Ultras des Pan, dem Unternehmerverband Comparmex und dem hohen Klerus der katholischen Kirche, die sich ebenfalls in der Debatte über den Umgang mit den Zapatistas engagieren, hauptsächlich um eins: Das Zapatista-Problem soll verschwinden. Fox versucht es mit einer »weichen Aufstandsbekämpfung«, in der die EZLN zunächst politisch delegitimiert, dann diskreditiert und schließlich zerschlagen werden soll, wie der Militärexperte Carlos Fazio anhand von geheimen Armeepapieren in der linksliberalen Tageszeitung La Jornada deutlich machte. Die Ultras schlagen derweil als Begleitmusik die Kriegstrommeln, um Fox' aktuelle Position der Gesprächsbereitschaft als ausgesprochen demokratisch erscheinen zu lassen.

Tatsächlich ist es schwer vorstellbar, dass Fox die Forderungen der Zapatistas nach Umsetzung des Abkommens über »indianische Rechte und Kultur« einfach erfüllt. Im Gesetzespaket geht es nämlich um mehr als das Recht auf indianischen Volkstanz und Folklore, die man Touristen gut verkaufen kann. Die verschiedenen Gruppen der zehn Millionen Indianer Mexikos, immerhin zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, sollen vielmehr als kollektive Rechtssubjekte in der Verfassung verankert werden. Das heißt, es soll den indianischen Gruppen das Recht eingeräumt werden, sich selbst mit eigenen normativen Systemen zu regieren. Die Gruppen sollen eigene Formen politischer Repräsentation entwickeln können, ein eigenes Bildungssystem aufbauen und über die natürlichen Ressourcen in ihren Regionen verfügen, wenn auch nur in Koordination mit den Interessen der Zentralregierung.

Während Fox, der Mexiko »wie ein großes Unternehmen« regieren will, die Indianer am liebsten in selbstverwaltete Armutsreservate abschieben möchte, fordern die Zapatistas eine Autonomie, die letztlich die kapitalistische Inwertsetzung des in weiten Teilen durch kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft geprägten mexikanischen Südens behindern würde. Doch genau darum geht es dem »Plan Puebla Panama«, dem zentralen wirtschaftspolitischen Projekt der neuen Fox-Regierung, in der fast ausschließlich mexikanische Großunternehmer sitzen.

Der »Plan Puebla Panama« sieht ein großangelegtes Modernisierungsprogramm vor, das den gesamten mexikanischen Süden umfasst und einen Wirtschaftskorridor quer durch Zentralamerika öffnen soll. Eine effektive Eisenbahnverbindung durch die Landenge des Isthmus von Tehuantepec mit Containerhäfen am Atlantik und Pazifik, die dem Panama-Kanal Konkurrenz machen soll, Billiglohnfabriken in Freihandelszonen und die Entwicklung der kommerziellen großflächigen Landwirtschaft bilden die Achsen des Projektes, das die neue Regierung in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft realisieren will. Indianer sind dabei nur als billige Arbeitskräfte vorgesehen, wenn sie nicht gerade den Agromultis bei der Erforschung der reichhaltigen Flora und Fauna zu gentechnologischen Zwecken helfen.


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