Ehemalige Staatspartei PRI und Linksopposition legen zu

Wahlschlappe für Regierungspartei in Mexiko

Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Mexiko am 6. Juli musste die regierende konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) eine schwere Niederlage hinnehmen. Sie verlor im Vergleich zu den Wahlen des Jahres 2000 mehr als ein Viertel ihrer Stimmen und wird im neuen, 500 Sitze umfassenden Abgeordnetenhaus nur noch mit etwa 150 Abgeordneten statt bisher 203 vertreten sein.

Im Jahr 2000 war es der PAN gelungen, ihren Kandidaten, den ehemaligen Coca-Cola-Manager Vicente Fox, zum Präsidenten wählen zu lassen. Doch die von Fox und der PAN versprochenen Veränderungen nach 71 Jahren Regierungszeit der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) traten praktisch nicht ein. Fox und die PAN erlitten einen massiven Vertrauensverlust. Auf die Enttäuschung bezüglich des ausgebliebenen Wechsels ist auch die sensationell niedrige Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent zurückzuführen.

Zwar hatte Präsident Fox in den vergangenen Monaten sein Ansehen in der Bevölkerung wieder steigern können: durch seine Ablehnung des Irak-Krieges und durch seine Zurückweisung der von den USA vorgeschlagenen Öffnung des nationalen Erdölsektors für Privatisierungen als Gegenleistung zu einem Migrationsabkommen mit den USA. Das Ansehen der Regierungspartei PAN blieb gleichwohl im Keller.

Zu den großen Gewinnern der Wahlen gehören die ehemalige Regierungspartei PRI und die linksoppositionelle Partei der demokratischen Revolution (PRD). Die PRI erzielte 34,4 Prozent der Stimmen und steigerte die Anzahl ihrer Abgeordneten von 207 auf etwa 225, während die PRD die Anzahl ihrer Abgeordneten von 52 auf etwa 100 nahezu verdoppeln konnte.

Die PRI trat zu den aktuellen Wahlen in Koalition mit der Grünen Partei (PVEM) an, die sich faktisch im Besitz einer einzigen Familie befindet. Diese investiert die Einnahmen ihres Betriebs "Grüne Partei" in eine Apothekenkette, vertritt kaum politische Positionen, und ihre Vertreter glänzen im Abgeordnetenhaus vorwiegend durch Abwesenheit. Dennoch brachten ihnen ihr Name und ihre Versprechungen, Stipendien, eine allgemeine Krankenversicherung und Eigenheimförderungen einzuführen, stattliche 6,2 Prozent der Stimmen ein.

Auch bei den gleichzeitig stattfindenden Gouverneurs- und Lokalwahlen in sechs Bundesstaaten schnitt die PRI sehr gut ab und gewann in vier Bundesstaaten - darunter auch der an Bevölkerung zweitgrößte mexikanische Bundesstaat Nuevo León, der bisher von der PAN regiert wurde. Die PAN setzte sich lediglich in zwei Bundesstaaten durch.

Die Hochburg der "linken" PRD, die im Gegensatz zur PRI nicht über einen landesweiten, für Wahlkampagnen mobilisierungsfähigen Parteiapparat verfügt, liegt in Mexiko Stadt. Dort erlangte sie die absolute Mehrheit, erzielte 35 der 40 Direktmandate der gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur Stadtversammlung und wird 14 der insgesamt 16 Stadtbezirke regieren, statt bisher zehn.

Die große Popularität der PRD in der Hauptstadt ist vor allem dem PRD-Bürgermeister Andrés López Obrador zu verdanken. Die drei wesentlichen Säulen seiner Stadtverwaltung bestehen aus großen Bauprojekten, einer repressiven Polizeistrategie und der finanziellen Förderung armer RentnerInnen. Seine Politik hat zwar dazu geführt, dass die PRD die Stimmen vieler Linken verloren hat und in Konflikt mit zahlreichen sozialen Bewegungen getreten ist - doch die Herzen der oft beschworenen "Mitte" gewann sie im Sturm. López Obrador führte für etwa 250.000 mittellose RentnerInnen eine Grundversorgung von umgerechnet etwa 50 Euro ein und ermöglichte ihnen, gratis die U-Bahn zu nutzen. López Obrador verkündete für Mexiko Stadt aber auch das Konzept "Null-Toleranz", die Polizeipräsenz im Stadtgebiet wurde massiv aufgestockt. Konsequenterweise engagierte man zudem den Paten der Null-Toleranz, den ehemaligen New-Yorker Bürgermeister Rudolph W. Giuliani, als Berater der Stadtverwaltung. In Verbund mit dem reichsten Mann Mexikos, dem zwielichtigen Unternehmer Carlos Slim, wird die gesamte Altstadt modernisiert und businesskompatibel hergerichtet. Bereits 60 historische Gebäude sind in den Besitz des Multimillionärs übergegangen, der die Altstadt in eine börsenquotierte Aktiengesellschaft umwandeln will.

Doch das ambitionierteste Vorhaben von Obradors Verwaltung ist die aktuell im Bau befindliche zweite Ebene der Stadtautobahn. Verkehrstechnisch ist der Bau höchst umstritten: Um das Verkehrsvolumen der in Stau und Smog erstickenden Stadt zu reduzieren, wäre ein verstärkter Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs notwendig. Doch der Bau ist wohl eine Zukunftsinvestition in Sachen Präsidentschaftswahlen 2006, bei denen López Obrador voraussichtlich im Namen der PRD kandidieren wird.