Ein HipHop-Aktivist über Sprühen, Lebensgefühl und Repression

Tonnenweise Respekt

Adrian, 25 Jahre, ist HipHop-Aktivist in Berlin. Er organisiert HipHop-Jams, gibt ein Sprüher-Magazin heraus, arbeitet gerade an einem Buch über Sprühen, stellt Ausstellungen zusammen und hält Diavorträge, z.B. über die Ästhetik von Buchstaben. Mitte Januar fanden in Berlin 96 Hausdurchsuchungen bei Kindern und Jugendlichen statt, die von der Polizei für Sprüher gehalten werden. Auch Adrians Wohnung wurde durchsucht. Ihm wird nun Sachbeschädigung vorgeworfen. Mit dem Sprüher sprach Dario Azzellini

Für viele sind Sprühereien einfach "Schmiererei", was steckt dahinter?

Es geht nicht darum, Spießer zu verärgern, sondern darum, sich auszudrücken. HipHop und Sprühen ist eine Kulturbewegung, ein Lifestyle. Du wachst morgens auf und hast das Bedürfnis, dich auszudrücken. Vielleicht habe ich deshalb gewankt, als ich festgenommen wurde, denn ich hatte das Gefühl, die nehmen mir mein ganzes Leben weg. Aber im Endeffekt hat sich meine Überzeugung gefestigt. Es war wieder mal ein Punkt, an dem ich mich für oder gegen den HipHop-Lifestyle entscheiden mußte.

Ist denn das illegale Sprühen besonders wichtig?

Ich geb' Dir tonnenweise Respekt, wenn Du illegal malst, weil ich weiß, es ist ein anderer und sehr schwieriger Malprozeß, aber ich sage nicht: "Du mußt illegal malen". Wir haben hier ein anderes kulturelles Umfeld als in Amerika. Was in New York in Bezug auf HipHop funktioniert hat, muß hier nicht funktionieren. Man muß hier probieren, studieren, verstehen und eigene kulturelle Einflüsse einbringen. Wenn du nur von drüben abkupferst, vor allem das ganze blöde Gangster- und Macho-Getue, dann bewegst du dich im Kreis, und es wird sinnlos.

Eine SOKO aus BGS und Polizei, eine riesige Durchsuchungswelle – in den Medien werdet ihr als bewaffnete Kriminelle dargestellt.

Die Menschen verstehen nicht, was dahintersteckt. Deutschland kommt nicht klar mit HipHop. Sie haben Angst davor, wie auch vor anderen Bewegungen, die sie nicht kontrollieren können, die versuchen, etwas Eigenständiges und Positives zu machen, was nicht mit dem zusammenpaßt, was von obenrunterdiktiert wird. Es gibt keine andere Bewegung, wo Türken, Araber, Kroaten und Serben, Moslems und Juden sich einigermaßen einig sind. Die SOKO hat keine Ahnung, wenn sie behauptet, die Sprüherszene sei gewalttätig. Sie wirft Gangbanger und Sprüher in einen Topf, nur weil sie sich ähnlich kleiden. Dabei sind das zwei völlig unterschiedliche Lebenseinstellungen. Natürlich gibt es auch eine Menge Toys da draußen, Leute, die Scheiße bauen, und um als Writer zu überleben, andere denunzieren oder angreifen. Die Polizei pickt sich die Streitereien raus und redet von Gewalt, das kommt gut in den Medien. Negatives verkauft sich eben besser. Und da viele Ausländer dabei sind, bringt das auch Wählerstimmen.

Wie werdet ihr euch jetzt verhalten?

Viele Sprüher sind durch das Vorgehen der Polizei völlig eingeschüchtert. Das Wichtigste ist,mehr zu reden. Wir müssen jetzt erstmal alle Erfahrungen der Betroffenen sammeln und dann gezielte Schritte unternehmen. Etwa mit Veranstaltungen Geld für gemeinsame Anwälte sammeln. Wir werden auch mit Jugendgruppen und anderen zusammenarbeiten, die nicht so viel mit HipHop zu tun haben, aber sich mit solchen Fällen auskennen und sich einsetzen.