Bei den "Zwischenwahlen" in den USA geht es heute um Kongreßsitze und Gouverneursposten – und was macht das "andere" Amerika?

Abu Jamal – 12 Jahre Todeszelle

Über revolutionäre Organisationen in den USA ist wenig bekannt. Insgesamt sitzen in jenem Land jedoch über 200 politische Gefangene in Gefängnissen. Ihre Existenz wird öffentlich geleugnet, und sie müssen mit viel drakonischeren Strafen rechnen als Kriminelle.

Zu den bekanntesten gehört Mumia Abu Jamal. Der ehemalige Black-Panther-Aktivist und engagierte Journalist wurde vor zwölf Jahren wegen bewaffneten Raubüberfalls und Polizistenmordes zum Tode verurteilt, obwohl eine Tatbeteiligung widerlegt werden konnte. Seitdem sitzt er in einer Todeszelle im Bundesstaat Pennsylvania. Sein Anwalt Len Weinglass fordert seit Jahren eine Neuverhandlung.

Anfang 1995 sollen nun wieder Anträge eingereicht werden. Doch Weinglass macht sich kaum Illusionen, "Es wird ein langer Kampf werden. Noch nie hat jemand in Pennsylvania aus der Todeszelle heraus - zur Zeit sitzen hier 173 Verurteilte - die Neuaufnahme seines Verfahrens erreicht." Selbst bei Anwaltsbesuchen, so Weinglass, ist sein Mandant an Händen und Füßen gefesselt, finden Gespräche nur mit Trennscheibe statt. "Doch Mumia ist ein starker Mann. Er zieht eine enorme Kraft aus seiner politischen Verpflichtung."

Mittlerweile steht er auf Platz zwei der Hinrichtungsliste. Ob der amtierende Gouverneur, der seine Amtszeit beendet, den Hinrichtungsbescheid noch unterschreibt, ist ungewiß. Aber: "Wer auch immer die heutige Wahl gewinnt, er wird wohl unterschreiben."

Wieviele politische Gefangene gibt es eigentlich in den USA? Für Weinglass ist das eine Definitionsfrage. "Es sind 200 politische Aktivisten. Aber viele sagen, ich auch, daß es in den USA letztlich viel mehr politische Gefangene gibt. Denn der Großteil der Inhaftierten sind Afroamerikaner. Oft ohne Bildung und Arbeit, meist ohne politische Identität, sind sie doch aufgrund unseres sozio-ökonomischen und politischen Systems im Knast". Wo es auch zahlreiche puertoricanische Gefangene gibt; viele sehen sich in der Tradition des Befreiungskampfes ihrer Heimat, erkennen die Gerichtsbarkeit der USA nicht an. Hohe Haftstrafen sind typisch. So wurde z. B. die Italienerin Silvia Baraldini 1983 wegen Beteiligung an der Befreiung der schwarzen Aktivistin Assata Shakurs, die heute auf Kuba lebt, zu 43 Jahren Haft verurteilt. Unter unmenschlichen Haftbedingungen in völlig isolierten Hochsicherheitstrakten bekam sie Gebärmutterkrebs. Seit Jahren bemüht man sich sowohl in den USA wie auch in Italien um ihre Auslieferung. Vergeblich. Bei der Clinton-Administration, so Weinglass, könnten die Chancen größer sein. Aber was wird nun die neue Regierung in Rom tun?

In den letzten Monaten wurde die Situation der politischen Gefangenen wieder mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, nachdem sich Prominente wie etwa Whoopie Goldberg oder die Polit-Rapper von Public Enemy für sie einsetzten. Ob dies zur Verbesserung ihrer Lage beiträgt oder Jamal hilft, bleibt abzuwarten.

Unterstützung bzw. Protest an: Mumia Abu Jamal, AM 8355, 1100 pike Street, Hutingdon, PA 16652-1112, USA / Governor Robert Casey, Main Capitol Building, Room 225, Harrisburg, PA 17120 , USA