Die unheilige Allianz rechter Militärs und Geheimdienstler mit Mafia und Faschisten sorgt in Italien wieder für Schlagzeilen

Die Putschpläne lagen schon in den Schubladen

Putschpläne des Militärs für Ende 1993/94, Ermittlungen wegen Hochverrats und Amtsenthebungen, das Militär wird des Waffenhandels und der Verbindung zum organisierten Verbrechen sowie zu faschistischen Terroristen bezichtigt. Enthüllungen und Beschuldigungen, die in den letzten Wochen die soziale und politische Krise in Italien weiter verschärft haben. Staatspräsident Scalfaro hat bereits einen Sonderrat zur inneren Sicherheit in Rom einberufen.

Die Rache der Ex-Geliebten? Schon vor einigen Wochen wurde vom Innenministerium die Entlassung von 300 Geheimdienstmitarbeitern bekanntgegeben wegen belastender Querverbindungen zu der ehemaligen geheimen NATO-Struktur Gladio und der faschistischen Terrororganisation Falange armata (Bewaffnete Phalanx), die sich zuletzt im Juli zu drei Bombenattentaten in Rom und Mailand bekannt hat, bei denen fünf Personen ums Leben kamen.

Letzte Woche wurde dann auch General Franco Monticone, Kommandeur der Schnellen Eingreiftruppe, die aus verschiedenen Einheiten des Heeres, der Marine und der Luftwaffe besteht, von Verteidigungsminister Fabio Fabbri "wegen schwerer Verhaltensmängel" des Amtes enthoben. Gegen ihn und ein Dutzend weiterer hoher Offiziere wurden Ermittlungsverfahren wegen Hochverrats und Konspiration gegen den Staat eingeleitet.

Hintergrund sind die Vorwürfe von Donatella Di Rosa, Ex-Geliebte des Generals und Ehefrau des Luftwaffenoffiziers Aldo Michittu: General Monticone habe mit einigen anderen faschistisch orientierten Militärs, darunter ihrem Ehemann, der seit 25 Jahren aktiv faschistische Organisationen unterstützte, für Ende 1993 oder Anfang 1994 einen Putsch geplant. Dieser sollte das politisch zerrüttete Italien nach dem Vorbild Chiles 1973 wieder auf den rechten Weg bringen.

Verwunderlich wäre dies nicht, gab es in Italien doch schon einige Male nach dem zweiten Weltkrieg Putschpläne der Armee, die bekanntesten im Rahmen der P2-Loge in den 70er Jahren.

Di Rosa, seit sieben Jahren faschistische Aktivistin, habe selbst an einigen der konspirativen Sitzungen teilgenommen wie diverse Waffenschieber, der österreichische Terrorist Friedrich Schaudinn, mitverantwortlich für den blutigen Anschlag auf den Italicus-Schnellzug 1974, der nach eigenen Angaben nur dank Hilfe italienischer Behörden fliehen konnte, der seit 1976 als tot geltende Faschist und Multimillionär Gianni Nardi. Auch den Generalstabschef des Heeres, Goffredo Canino, will die 34jährige gesehen haben.

Monticone wiederum hat das Ehepaar wegen Betruges und Erpressung angezeigt; es geht dabei um etwa 800.000 DM, die er Di Rosa überwiesen habe, damit diese ihre Ehe vom Papst annullieren lassen kann. Doch genau diese Summe soll im Kreise der Militärs gesammelt worden sein, um das Putschistennetz in der Armee zu finanzieren.

Am Wochenende nun ließ Di Rosa ine weitere Bombe platzen: Der Anschlag auf die Uffizien in Florenz diesen Sommer sei in Monticones Haus geplant worden die Verantwortung hatte die faschistische Terrororganisation Falange armata übernommen. Ebenfalls am Wochenende wurde ein hoher Geheimdienstoffizier verhaftet. Er soll Mitte September mit zwei Angehörigen der Camorra einen Anschlag auf den D-Zug Palermo-Rom vorgetäuscht haben. Die Tat gilt als Teil der Mafia-Strategie, durch Verwirrung und Terror ihre Macht zu erhalten.

Und Nardi? Der Erbe des gleichnamigen Unternehmens für Kriegsflugzeuge floh Mitte der 70er Jahre aus Italien, wo er wegen Mordes gesucht wurde und wegen Waffenschmuggels bereits zwei Jahre in Haft gesessen hatte. Nardi, der mit Unterstützung des Vatikans ins franquistische Spanien entkommen konnte, soll 1976 bei einem Autounfall auf Mallorca umgekommen sein. Die Leiche, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, wurde anhand der Fingerabdrücke identifiziert. Di Rosa aber beschwört, ihn zuletzt vor zwei Monaten getroffen zuhaben. Und die Florentiner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Nardi wegen terroristischer und subversiver Bandenbildung sowie Waffenhandels. Gegen einen Toten? Staatsanwalt Piero Luigi Vigna: "Ich kann weder behaupten er lebt, noch, dass er tot ist." Eine Tageszeitung aus Mallorca jedenfalls berichtete, der damalige Leichenbefund sei an Interpol übermittelt worden und verschwunden. Auf die Frage, wie denn Nardi ein- und ausreise, hatte Di Rosa eine klare Antwort: "Mit einem Diplomatenpaß". Auch eine ausländische Journalistin will Nardi "quicklebendig" gesehen haben.Die Anwaltschaft des Militärgerichts in Padua hat inzwischen die Ermittlungen gegen Di Rosas Ehemann Michettu und den für Nordost-Italien verantwortlichen Heeresgeneral Andreani eröffnet. Letzterem wird Waffenschmuggel vorgeworfen. Die Waffen seien vorwiegend aus Deutschland in LKW nach Italien gelangt, dank der Geheimdienste ohne Probleme. Die Frage drängt sich auf, ob an der deutschen Grenze deutsche Geheimdienste in ähnlicher Weise behilflich wurden. Im Friaul, wo ein ein Drittel der Streitkräfte Italiens stationiert sind, wurden schon mehrmals Militärangehörige wegen Waffenschiebereien festgenommen.

So fand man ein Waffenlager mit leichtem und schwerem Gerät für 200 Soldaten. Aus diesem und anderen bedienten sich auch faschistische Terroristen, Waffen wurden an die Mafia verkauft. Vor wenigen Wochen entdeckte man in der kleinen Republik San Marino ein geheimes Konto der italienischen Armee mit über 42 Millionen DM, wahrscheinlich die Einnahmen aus dem Waffenhandel und die finanzielle Absicherung des Putsches.

Doch nicht allein Di Rosa beunruhigt die Militärs. Saverio Morabito, ein Reuiger der Mafia aus Kalabrien, belastet General Francesco Delfino: Der Kommandant der Carabinieri im Piemont und Ex-Geheimdienstoffizier soll umfassende Kontakte mit dem organisierten Verbrechen unterhalten. Delfino, selbst auch aus Kalabrien, wurde seines Amtes enthoben.

Der Bruder selbst ging auf Killersuche  Die Anschuldigungen wiegen schwer: So soll Delfinos Bruder 1985 Killer gesucht haben, um einen vom General protegierten Bürgermeister zu beseitigen, weil der seine Geschäfte mit den "ehrenwerten Familien" selbst und ohne Vermittlung der Delfino-Brüder abwickeln wollte. Und der General soll einen hohen Mafiosi in die Roten Brigaden eingeschleust haben, der der vierte, bisher unbekannte Beteiligte an der Entführung Moros gewesen sei. Ein Ablenkungsmanöver, um die Aufmerksamkeit von den Militärs auf die Roten Brigaden zu lenken? Marcello Fulvi jedenfalls, Leiter der politischen Polizei Digos, und auch verschiedene Ex-Rotbrigadisten haben die Story inzwischen dementiert.

Indes kündigte Di Rosa weitere Enthüllungen an: über Anschläge faschistischer Gruppen, über den Mord am Journalisten Pecorelli, in den auch Ex-Premierminister Andreotti verwickelt ist, über Beziehungen des Vatikans zu faschistischen Terrorgruppen...