Venezuelas Präsident will Entscheidung des Wahlrats und Ergebnis des Referendums akzeptieren ”Das Spiel beginnt erst“

Chávez stellt sich Abwahl-Referendum

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez wird sich einem Referendum über seine Abwahl stellen: Jorge Rodríguez, Direktor des Nationalen Wahlrates, informierte am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) darüber, daß gemäß der Tendenz der Computerauswertung der Unterschriften mitsamt der vergangene Woche korrigierten Unterschriften 2.451.821 Personen gegen Chávez unterschrieben hätten. Sollte sich dieses Ergebnis als Endresultat in den nächsten Tagen bestätigen, wäre das von der Verfassung festgelegte Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten um 15.738 Unterschriften überschritten worden. Die USA begrüßten das Ergebnis. Es biete die Möglichkeit für eine ”friedliche und demokratische Lösung der innenpolitischen Krise“ in Venezuela, dem weltweit fünftgrößten Ölexporteur, sagte ein Regierungsvertreter in Washington.

In der vergangenen Woche konnte die rechte Opposition laut Angaben des Wahlrates etwa 525.000 der mehr als 1.190.000 Unterschriften korrigieren, für die der Nationale Wahlrat eine erneute Überprüfung angeordnet hatte. Der oppositionelle Gouverneur Enrique Mendoza erklärte, dies sei ”ein Sieg der Einheit“ gewesen. Diese Einheit werde auch zum Sieg im Referendum führen. Chávez, der Ende 1998 zum Präsidenten gewählt und seit dem mehrfach im Amt bestätigt wurde, interpretierte die gegen ihn gesammelten Unterschriften jedoch nicht als Niederlage, sondern als ”Sieg für die Verfassung“. Das Referendum sei schließlich ein Kind des Prozesses, um ”einem neuen demokratischen Modell in Venezuela eine Form zu geben“.

Chávez wiederholte nach Bekanntgabe der Tendenzen der Unterschriftenkorrektur, die Regierung und er würden die Entscheidungen des Nationalen Wahlrats und das Ergebnis des Referendums akzeptieren. Er zeigte sich jedoch siegessicher und erklärte: ”Ich habe gesehen, wie Teile der Opposition bereits ihren Sieg feiern (...) ich habe nicht die geringste Angst vor einer Niederlage. Ich habe ja bisher nicht einmal angefangen, das Spiel beginnt jetzt erst. Irren sie sich nicht, meine Herren von der Opposition, bisher haben sie fast alleine gespielt. Mögen sie nun für immer die Staatsstreiche, Ausschreitungen, Importe von Paramilitärs, Bomben in Botschaften und Erdölsabotagen vergessen und mit Glauben und Optimismus den Weg dieser neuen Demokratie gehen – aber es ist nicht gut, frühzeitig Siege zu feiern.“

In einem Referendum müßte die Opposition nun nicht nur eine Mehrheit für Chávez‘ Amtsenthebung zusammenbekommen, sondern auch mehr Stimmen gegen ihn vereinen, als die 3,75 Millionen, die er bei seiner letzten Wahl zum Präsidenten erhalten hatte. Während in einigen wohlhabenden Stadtvierteln von Caracas Oppositionsanhänger ihren Sieg feierten, kam es in Zentrum der Hauptstadt und in anderen Städten des Landes zu Demonstrationen, Straßenblockaden und Angriffen auf Oppositionsmedien durch vermeintliche Anhänger der Regierung, die davon ausgehen, die Unterschriften der Opposition seien nur mit Betrug zusammengekommen. Angehörige der Regierung wiederum beschuldigten oppositionelle Provokateure der Angriffe auf die Medien, um so ein Klima der Spannung zu erzeugen.

Breite Unzufriedenheit mit dem Wahlrat bei den Chávez-Anhängern verursachte, daß dieser mit keinem Wort verschiedene Unregelmäßigkeiten erwähnte. So konnte die Polizei rund um den Reparaturprozeß fast 50 Personen mit gefälschten Personalausweisen oder Unterlagen dingfest machen. Allein im bevölkerungsreichsten Distrikt von Caracas wurden 2.376 gefälschte Personalausweise beschlagnahmt und über 300 Verstorbene identifiziert, die auf den Listen auftauchten. In einem Parteisitz der ehemals regierenden sozialdemokratischen Partei AD in Caracas wurde gar eine ganze Fälscherwerkstatt mit Scannern, Farbdrucker und Laminiermaschine ausgehoben (siehe Zeitung vom 3.6.2004).
Einige Chávez-Anhänger fordern nun Neuwahlen. Ihr Zorn richtet sich vor allem gegen das politische Führungsgremium ”Comando Ayacucho“, das sich aus Vertretern verschiedener Parteien und Organisationen zusammensetzt, die die Regierung Chávez unterstützen und das die Unterschriftensammlung gegen die Oppositionsabgeordneten organisiert hatte. Diese hatten in den vergangenen Monaten immer wieder angekündigt, genügend Unterschriften für Volksabstimmungen gegen 30 Oppositionsabgeordnete zu erzielen und beim Referendum gegen Chávez 300.000 Unterschriften annullieren zu können. Noch am Montag tönten Repräsentanten des Comando Ayacucho: ”Es wird kein Referendum gegen den Präsidenten Hugo Chávez Frías geben“. Tatsächlich aber wurden nur etwa 74.000 Unterschriften für ungültig erklärt und ausreichend Unterschriften für Volksabstimmungen gegen lediglich neun Abgeordnete der Opposition erzielt. Große Teile der Basis werfen dem Gremium Unfähigkeit und Desorganisation vor und fordern seinen Rücktritt.

Die Opposition fordert nun ein Referendum vor dem 19. August, da dann – im Falle einer Niederlage Chávez‘ – innerhalb von 30 Tagen Präsidentschaftswahlen einberufen werden müßten. Sollte das Datum jedoch überschritten werden, sieht die Verfassung vor, daß der jetzige Vizepräsident die Amtszeit bis Januar 2006 zu Ende führt.

Dario Azzellini