Venezuela im Umbruch: Im Bundesstaat Carabobo wurde mit kanadischer Hilfe eine moderne Anlage zur Abfallaufbereitung gebaut. Notizen von der jW-Leserreise

Kampf gegen Müllmafia

Die neue Müllbeseitigungsanlage der drei venezolanischen Landkreise Guacara, San Joaquín und Diego Ibarra im stark industrialisierten Bundesstaat Carabobo ist zwar noch nicht in Betrieb genommen worden, doch Direktor Eduardo Sanchez ist bereits sichtlich stolz darauf: "Wir hoffen, sie vor Ende des Jahres einweihen zu können. Sie wird die ökologischen Probleme lindern, Krankheitsherde beseitigen, zahlreichen neugebildeten Kooperativen zur Mülltrennung Arbeit geben und zeigen, daß es möglich ist, effizient und ohne Korruption zu wirken."

Venezuela hat mit enormen Umweltproblemen zu kämpfen. Die Erdöl-, Stahl- und Aluminiumindustrie stellen eine starke ökologische Belastung dar, in der Vergangenheit waren Umweltauflagen entweder nicht existent oder wurden schlichtweg nicht beachtet. Der Maracaibosee, das größte Süßwasserreservoir Lateinamerikas, stand bei der Regierungsübernahme von Präsident Hugo Chávez 1999 am Rande des Kippens, alle Abwässer gingen ungeklärt in den See. Heute werden 60 Prozent der Abwässer gereinigt, seit dem Jahr 2000 wurden im gesamten Land 15 neue Klärwerke in Betrieb genommen.

In der neuen Müllbeseitigungsanlage in Guacara soll der Abfall getrennt werden, recycelbare Anteile sollen der Wiederverwertung zugeführt werden, während der Restmüll in einer großen, mehrfach abgedichteten Grube gesammelt wird. Die Grube erstreckt sich über sechs Hektar und ist elf Meter tief, der Müll soll zudem noch einmal bis zu elf Meter Höhe aufgetürmt werden, bevor der Berg versiegelt wird. Dies soll in etwa acht bis zehn Jahren der Fall sein. Weitere zehn Jahre später soll der natürliche Zersetzungsprozess den Müll beseitigt haben. Unter mehreren Schichten Sand und Kies wurde ein Rohrsystem verlegt, das die absickernde Flüssigkeit aufnimmt und in eine Klärgrube ableiten soll. Dort werden diese Abwässer chemisch gereinigt und in ein weiteres Becken geführt, um dann wieder in die Müllgrube zu fließen. Durch die ständige Befeuchtung soll der natürliche Zersetzungsprozeß vorangetrieben werden.

Die Technologie der Müllaufbereitung stammt von einem kanadischen Unternehmen und stellt den aktuellen Spitzenstandard in diesem Bereich dar. Die für den Bau der Anlage notwendigen 15 Millionen US-Dollar stammen ebenfalls aus Kanada. Auf Initiative der chavistischen Bürgermeister der drei beteiligten Gemeinden und des Umweltministeriums in Caracas schloß die Regierung Venezuelas ein Kooperationsabkommen mit Kanada ab. So können mehrere offene Müllhalden in der Region geschlossen und langsam abgebaut werden, während der gesamte neue Müll direkt in die moderne Anlage geliefert wird. "Dies zu erreichen war nicht leicht, die Müllhalden werden von wahren Mafien kontrolliert", so Sanchez.

Direkt neben der neuen Anlage ist noch eine solche Müllhalde zu sehen. Dort arbeiten zahlreiche Menschen ohne jeden Schutz in der Mülltrennung. Während sie sich abschuften, ihre Gesundheit zugrunde richten und kaum Geld bekommen, verdienen die Mafien an dem Weiterverkauf der recycelbaren Materialien ein Vermögen. "Die Müllmafia ist in vielen Fällen mit der alten politischen Macht verbündet, sie hat sogar Wahlkampagnen der Opposition finanziert."


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