Vor ihrem richtungsweisenden Kongreß sind Nicaraguas Sandinisten gespalten. Die FSLN-Basis meldet sich zu Wort

Zerreißprobe

Die FSLN kommt am 20. Mai in Nicaraguas Hauptstadt Managua zu einem außerordentlichen Kongreß zusammen. Unter anderem wird über den Posten des Generalsekretärs der FSLN, den Ex-Präsidenten Daniel Ortega bisher innehatte, abgestimmt werden. Heiße Diskussionen sind zu erwarten, schließlich ist in der sandinistischen Partei seit Monaten ein Macht- und Richtungsstreit entbrannt.

Daniel Ortega will sich zwar erneut zur Wahl stellen, doch hat er mit Henry Ruiz, ebenfalls Mitglied der Nationalen Leitung der FSLN, einen gewichtigen Gegenkandidaten. Ruiz wird von einer Strömung unterstützt, die sich unter der Führung des ehemaligen Vizepräsidenten Sergio Ramirez innerhalb der FSLN konstituiert hat. Diese Strömung, offiziell „Für einen Sandinismus, der wieder mehrheitsfähig wird“, vertritt eher eine sozialdemokratische Politik und fordert, so Ramirez, „die FSLN solle Vergangenheit als Politisch-militärische Partei begraben und sich gegen bewaffnete Methoden stellen“. In der Wirtschaftspolitik setzt sie, ähnlich der Chamorro-Regierung, auf Privatisierung.

Hinter Daniel Ortega steht eine Strömung, die die „deutliche Rückbesinnung auf die alten Ideale der Revolution“ fordert. So steht sie etwa nach wie vor hinter einer antiimperialistischen Politik, während der sozialdemokratische Flügel „ein neues Verhältnis zur USA“ suchen will.

Die meisten FSLN-Mitglieder beteiligen sich kaum an der ideologischen Diskussion, die fernab der desolaten wirtschaftlichen Situation und neuen unheilvollen Knebelverträgen, die Nicaraguas Regierung jüngst mit IWF und Weltbank unterschrieben hat, geführt wird. Der nicaraguanische Alltag ist geprägt von 70 Prozent Arbeitslosigkeit, Streiks, Armut, Elend und wachsender Kriminalität. Doch ist bei vielen eine Ablehnung der sozialdemokratischen Strömung gegenüber zu spüren, die vor allem Sergio Ramirez betrifft, da dieser deutlich zu verstehen gegeben hatte, als Präsidentschaftskandidat der FSLN bei den Wahlen 1996 ins Rennen gehen zu wollen. Diesen Machthunger nahmen ihm viele Sandinisten übel. Doch ist es bisher der großen Masse von Sandinisten nicht gelungen, sich politisch zu formieren und deutlich zu artikulieren.

Im März konsolidierte sich auch eine Frauenströmung. Sie fordert eine 50prozentige Frauenquote in allen Entscheidungsstrukturen der FSLN und attackiert sowohl die Randstellung der Frauen in der gesamten Gesellschaft, als auch die Fortsetzung der Männerdominanz in der Partei. Es ist festzustellen, dass bereits im Vorfeld des Kongresses Themen offen diskutiert werden, über die in den letzten Jahren öffentlich kaum ein Wort fiel. So etwa die Frage der Demokratisierung der Parteistrukturen. Noch 1991 hatte die nationale Leitung die Diskussion erfolgreich abblocken können und sich und ihre personelle Zusammensetzung über eine „Blockwahl“ gesichert.

Auffällig ist auch, dass sich Frauen zum ersten mal innerhalb der FSLN - und ohne Order - selbst organisierten.