Straßenkinder in Nikaragua

Teresita, die Glückliche

Managuas Straßen sind voll von arbeitenden Kindern. An allen Ampeln stehen sie und verkaufen alles erdenkliche: Lotterielose, Zeitungen, Mehrfachsteckdosen... In der Stadt müssen über 20.000 Kinder und Jugendlich zwischen 7 und 17 ihr Überleben auf der Straße verdienen, im ganzen Land bis zu 100.000.

Kinderarbeit gab es auch unter Nikaraguas früherer, sandinistischer Regierung. Neu ist jedoch das Ausmaß. Ein Drittel der Kinder sind im Laufe des Jahres 1991 durch die Wirtschaftspolitik der neoliberalen Regierung auf die Straße gezwungen worden. Vor dem Regierungswechsel gingen die meisten von ihnen auch deshalb in die Schule, weil es dort täglich ein Glas Milch und oft auch eine Mahlzeit gab. Seit die Regierung dies abgeschafft hat und zusätzlich Schul- und Büchergeld eingeführt hat, ist die Schule für viele der acht- bis zehnköpfigen Familien ein unerschwinglicher Luxus.

Überdies ist die Kinderarbeit bei einer Arbeitslosigkeit von offiziell fast 60 Prozent für viele Familien zur Notwendigkeit geworden. Der Warenkorb, der in Nikaragua auf knapp 20 Produkte beschränkt ist, wird mit einem Preis von monatlich 160 US-Dollar angegeben. Der Mindestlohn – den längst nicht alle Arbeitenden bekommen – liegt bei 50 US-Dollar. Dies führt nicht nur zu Kinderarbeit, sondern auch dazu, dass viele Kinder auf sich allein gestellt sind und im wahrsten Wortsinn auf der Straße leben.

Die 9jährige Teresita, die auf dem Mercado Huembes Kaugummis verkauft, kann sich schon fast glücklich schätzen. Zur Schule geht sie zwar seit über einem Jahr nicht mehr, aber immerhin wohnt sie noch bei ihrer Familie und hat Arbeit. Viele ihrer Altersgefährten leben mittlerweile von Diebstahl oder von den Abfallbergen. Der Mercado Oriental gilt als eine der gefährlichsten Ecken Managuas. Raubüberfälle, Prostitution und Kokainhandel gehören zur Normalität. In einigen Winkeln bieten sich 10-14jährige Mädchen an, etwas weiter schnüffeln 8jährige Jungen am Straßenrand Klebstoff.

Manche Kinder beginnen sich zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen Anfang April trifft man sich in der Stadt Qantal, um einen Lateinamerikanischen Straßenkinderkongreß im Herbst in Guatemala vorzubereiten. Einige Projekte sind von Organisationen sind darauf ausgerichtet, die Kinder von der Straße zu holen – angesichts der wirtschaftlichen Situation aussichtslos. Andere wiederum versuchen, die Kinder als soziale Subjekte zu begreifen und ihre Arbeit zu respektieren. Sie bieten Unterricht außerhalb der Arbeitszeit an und versuchen das Verständnis in der Gesellschaft zu fördern, da viele der Mädchen und Jungen schlecht behandelt, geschlagen und sexuell missbraucht werden.

Besonders erfolgreich scheint das INPRHU – Instituto de Promocion humana. Carlos Gonzalez, Leiter des INPRHU in Esteli, führt des Erfolg darauf zurück, dass sein Institut den Kindern gegenüber keine karitative Haltung einnimmt und sie als Teil der arbeitenden Bevölkerung akzeptiert. Gemeinsam werden Spiele, Ausflüge und Feste organisert. Da nur 50 Prozent der Kinder zur Schule gehen, ist eine Alphabetisierung in Vorbereitung, Ausbildungswerkstätten sind in Planung. Von den etwa 300 Straßenkindern in Esteli nehmen an die 90 Prozent an den Aktivitäten teil.