Ecuadorianische Regierung schließt Abkommen mit der indianischen Organisation CONAIE

Abkommen unterzeichnet

Die ecuadorianische Regierung und die indianische Organisation CONAIE unterschrieben am 7.Februar ein Abkommen, um die seit 29.Januar massiv anhaltenden Proteste zu beenden. Die Gespräche zwischen der Regierung und 80 Delegierten verschiedener Indianerorganisationen kamen zustande nachdem Präsident Gustavo Noboa einwilligte direkt mit dem Vorsitzenden der CONAIE Antonio Vargas zu verhandeln. Das hatte er zuvor abgelehnt.

Nachdem das Abkommen zwischen Regierung und indianischen Organisationen unterzeichnet worden war demobilisierte die CONAIE ihre Basis und löste die Straßenblockaden auf. Die hatten während der vergangenen zehn Tage die Versorgung der Städte beeinträchtigt und laut Unternehmerverbänden über 300 Millionen Dollar Verluste verursacht.

In der Amazonas-Stadt Tena wurde die im Verlauf der Proteste verhängte Ausgangssperre wieder aufgehoben. Dort war es zu Übergriffen der Polizei gekommen, die mehrere Todesopfer forderten. Die Regierung verpflichtete sich zur Aufklärung der Umstände und zur Entschädigung der Angehörigen. Der landesweite Notstand bleibt indes bis zur Normalisierung der Situation bestehen. Ebenfalls nach Unterzeichnung wurden, wie vereinbart, 500 im Laufe der Proteste inhaftierte Personen frei gelassen und alle Verfahren gegen die Aufständischen eingestellt.

In der Hauptstadt Quito machten sich die etwa 8000 Indígenas, die sich in der Polytechnischen Universität des katholischen Salesianerordens befanden, auf den Weg zurück in ihre Gemeinden. Sie verließen das Universitätsgelände als Demonstrationszug und wurden in den Straßen der Stadt von der Bevölkerung mit Applaus und Hupkonzerten gefeiert.

Die Übereinkunft führte dazu, daß der für denselben Tag ausgerufene Generalstreik nur mäßig befolgt wurde. Er sollte ursprünglich die Forderungen der CONAIE unterstützen. Dennoch löste die Polizei angesichts des weiterhin geltenden Notstandes in verschiedenen Städten Demonstrationen auf.

Der Aufstand fand nahezu exakt ein Jahr nach dem Aufstand vom 21.Januar 2000 statt, der in der Entmachtung des Präsidenten Jamil Mahuad gipfelte.

Die Proteste in verschiedenen Landesteilen und vor allem in der Hauptstadt Quito führt die Indianerorganisation CONAIE an, die als die stärkste und mobilisierungfähigste Organisation des Landes gilt, in dem etwa 40% der 12,5 Millionen Einwohner Indianer sind. Zu ihrer Basis gehören über 3 Millionen Indígenas.

Die CONAI forderte direkte Gespräche mit dem Präsidenten, die Rücknahme der jüngsten drastischen Verteuerungen von Treibstoff, Haushaltsgas und Öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Rücknahme der Dollarisierung der einheimischen Wirtschaft, was die Regierung jedoch strikt ablehnte.

Schwere Wirtschaftskrise
Eine schwerwiegende Wirtschaftskrise hat Ecuador in den vergangenen zwei Jahren bereits mehrmals an den Rande des Kollaps geführt. Die mit verschiedenen internationalen Finanzbehörden wie Internationaler Währungsfonds, Weltbank und Interamerikanische Entwicklungsbank verhandelten Sparpläne führen zu einer immer rasanteren Verelendung der Bevölkerung: Mehr als die Hälfte der Einwohner Ecuadors lebt mittlerweile in Armut, über 15% sogar in extremer Armut.

Mit Beginn der Erhebung am 29.Januar blockierten Indígenas in verschiedenen Landesteilen wichtige Verbindungsstraßen und verhinderten den Personen- und Warenverkehr. Einige Städte wie Otavalo oder Ambato wurden von den Rebellierenden völlig blockiert. Durch die Weigerung Noboas, sich an direkten Gesprächen mit der CONAIE über die Forderungen der Protestbewegung zu beteiligen, spitzte sich der Konflikt innerhalb weniger Tage zu.

Nachdem CONAIE-Vorsitzender Antonio Vargas erklärte, dass unter diesen Umständen die Proteste weiter geführt werden, ließ der Präsident ihn und seinen Stellvertreter Ricardo Ulcuango festnehmen und verkündete den Notstand im gesamten Land. Damit waren landesweite Einsätze der Armee und die Aufhebung gewisser konstitutioneller Rechte verbunden, Hausdurchsuchungen konnten ohne entsprechende Genehmigung durchgeführt werden, die allgemeine Bewegungsfreiheit im Land sowie die Ein- und Ausreise sind eingeschränkt und das Recht auf Versammlungs- und Organisationsfreiheit ausser Kraft gesetzt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Generalmobilmachung der Bevölkerung zur Unterstützung des Militärs, der Wirtschaft und der staatlichen Institutionen.

Nur einen Tag nach ihrer widerrechtlichen Festnahmen befanden sich die beiden CONAIE- Vorsitzenden wieder in Freiheit. Die Festnahme hatte die Proteste gegen die Regierung Noboas nicht wie erhofft bremsen können. Im Gegenteil, in verschiedenen Regionen des Landes organisierten Indígenas, Angehörige von Lehrer-, Studierenden- und Schülerorganisationen Demonstrationen und Straßenblockaden und besetzten TV-Sendemasten, Wasserwerke und Ventile von Erdölpipelines. In der Polytechnischen Universität der Salesianer in Quito befanden sich etwa 8000 Indígenas. Sie waren vollständig von der Polizei eingekreist, die Lebensmittel und Windeln (für die über 300 Kleinkinder im Innern) abfing und immer wieder Tränengasbomben auf das Universitätsgelände schoss.

Hilflose Repression
Im Innern der Universität befand sich auch Oberst Lucio Gutiérrez, der beim vergangenen Umsturz am 21.Januar 2000 die rebellierenden Militärs anführte und Mitglied des Triumvirats der "Regierung der Nationalen Rettung" war.

Vor einem Jahr gelang es Indígenas gemeinsam mit rebellierenden Militärs ohne Blutvergießen das Parlament zu stürmen. Die Aufständischen gründeten eine "Regierung der Nationalen Rettung".

Doch nur einen Tag später übernahm Gustavo Noboa, der ehemalige Vizepräsident Jamil Mahuads, dank eines Schachzugs der ecuadorianischen Militärführung die Amtsgeschäfte und wurde von einer kurzfristig einberufenen Sitzung des Parlaments als neuer Präsident bestätigt.

Die Indígenas räumten friedlich das Parlament und erklärten die Bewegung sei von den Militärs verraten worden. "Wir sind nicht besiegt worden, es ist nur ein Traum zu Ende gegangen", so Vargas im Nachhinein, "wir kommen wieder, in sechs Monaten oder einem Jahr, wenn die Regierung unsere Forderungen nicht erfüllt", verkündete er damals. Und er sollte Recht behalten.

Dieses Mal ließ die Regierung es allerdings nicht so weit kommen. Nachdem Noboa den Aufstand zunächst unterschätzt hatte, lenkte er doch in Verhandlungen ein und unterschrieb schließlich ein weitreichendes Abkommen — auch wenn die Dollarisierung nicht wie gefordert aufgehoben wurde.

Die 23 Punkte des unterzeichneten Abkommens umfassen u.a. die Zusicherung der Regierung keine weiteren Benzinpreiserhöhungen im Laufe des Jahres vorzunehmen, die Verbilligung von Haushaltsgas um 20% und die Einrichtung eines Vertriebsnetzes für ermäßigtes Gas für die unteren Einkommensklassen. Die Regierung verpflichtete sich, ein Dekret zu erlassen, dass die Preise im Personenverkehr für Kinder, Schüler, Studierende und alte Menschen um 50% ermäßigt.

Es wurden Finanzierungen für verschiedene genossenschaftliche Banken zur Vergabe von günstigen Krediten für Kleinunternehmer und Kooperativen vereinbart.

Indianische Organisationen sollen umfangreichere Finanzierung erhalten und indianische sowie soziale Organisationen an der Ausarbeitung von Investionsprogrammen im sozialen Bereich beteiligt werden. Das politische System soll stark dezentralisiert und Konflikte um Land und andere Ressourcen einvernehmlich gelöst werden.

Ebenso soll eine Reform des staatlichen Sozialsicherungssystems im Konsens erarbeitet werden. Die Regierung verpflichtet sich auch Migranten im Land und außerhalb zu unterstützen und sich weder in den umstrittenen "Plan Colombia", eine umfassende Waffen- und Finanzhilfe für die kolumbianische Regierung, noch auf andere Weise in einen externen Konflikt verwickeln zu lassen.

Darüber hinaus sollen innerhalb eines Monats Gesprächsrunden gebildet werden, um die nicht spezifizierten Punkte und weitere zu debattieren.

CONAIE-Vorsitzender Antonio Vargas erklärte, er sei "sehr zufrieden". Es bleibt nun abzuwarten, ob die Regierung sich tatsächlich an die Abkommen halten wird. Sollte sie es nicht tun, dann wird es sicher nicht lange bis zur nächsten Erhebung dauern.


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