Coca Cola lässt in Kolumbien GewerkschafterInnen umbringen
Bei Streik Lebensgefahr
Jedes Jahr werden in Kolumbien mehr als 5.000 Oppositionelle umgebracht. Dabei dient der Krieg gegen die bewaffneten Aufstandsbewegungen als Vorwand, die Aktiven sozialer Bewegungen zu ermorden. Bei Coca Cola in Kolumbien haben Todesschwadrone seit 1990 etwa 120 Übergriffe auf GewerkschafterInnen verübt, darunter sieben Morde. Die Gewerkschaft der NahrungsmittelarbeiterInnen SINALTRAINAL soll zerstört werden. Mit einer internationalen Kampagne machen die GewerkschafterInnen nun auf ihre Situation aufmerksam. Wir interviewten einen SINALTRAINAL Aktivisten, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss.
Interview: Dario Azzellini
ak: Unter welchen Bedingungen arbeiten GewerkschafterInnen in Kolumbien?
SINALTRAINAL: In keinem Land der Welt sterben so viele GewerkschafterInnen eines gewaltsamen Todes wie in Kolumbien. Fast 160 waren es im vergangenen Jahr, nahezu 4.000 im Laufe des vergangenen Jahrzehnts. Auffällig ist dabei die Zunahme der Morde während Arbeitskämpfen und Betriebskonflikten. D. h. GewerkschaftsführerInnen sind meist bewaffnet, haben auf jeden Fall bewaffnete Leibwächter und gepanzerte Fahrzeuge und auch die Gewerkschaftszentralen sind gepanzert und mit Kameras ausgerüstet. Darüber hinaus darf ein Gewerkschafter niemals in Routine verfallen, das wäre sein sicherer Tod. Er darf nie zwei Mal hintereinander den gleichen Weg gehen, er darf keine regelmäßigen Termine oder Zeitabläufe haben, und er muss immer sehr aufmerksam beobachten, was um ihn herum passiert. Aber selbst das kann ihn meistens nicht vor dem Tod retten.
Wann begann der organisierte militärische Angriff auf die Gewerkschaften?
In den 80er Jahren. Führend daran beteiligt sind transnationale Unternehmen wie Coca Cola. Die Methoden reichen von Drohungen, Verschleppungen und Folter bis hin zu Mord. Bei einer Feier 1996 mit viel Alkohol verkündete Mario Mosquera, Firmenleiter von Panamco (dem kolumbianische Coca Cola-Abfüller), in Carepa lauthals, dass er mit Hilfe der Paramilitärs der Gewerkschaft ein Ende setzen werde. Seitdem sind in Carepa mehrere Gewerkschaftsaktivisten ermordet worden, und die Paramilitärs bewegen sich ungestört auf dem Werksgelände. Von der kolumbianischen Regierung ist keine Hilfe zu erwarten. Bisher blieben alle diese Verbrechen ungeahndet. Schlimmer noch. Als Coca Cola einmal fünf Gewerkschaftsführer des Terrorismus anklagte, wurden sie anderthalb Jahre lang inhaftiert. Dann wurden sie einfach freigelassen, da der Vorwurf absurd war. Aber sie bekamen keine Entschädigung, und es wurde auch nicht erklärt, warum sie überhaupt 18 Monate lang festgehalten wurden.
Was steht hinter diesen Angriffen auf Gewerkschafter?
Anfang der 90er Jahre arbeiteten in den verschiedenen Coca Cola-Niederlassungen Kolumbiens etwas über 10.000 Arbeiter, sie verfügten alle über unbefristete Verträge und ein durchschnittliches Einkommen von 600 bis 700 US-Dollar. Heute, nach einer grundlegenden Umstrukturierung des Unternehmens, haben nur noch etwa 2.500 Arbeiter Verträge von Coca Cola, aber nur 500 davon feste Verträge, weitere 7.500 sind über Subunternehmer beschäftigt. Ihr durchschnittliches Monatseinkommen beträgt nur noch etwa 150 US-Dollar. Im Zusammenhang mit zwei Streiks wurden bei Coca Cola Kolumbien 1995/1996 sieben unserer Gewerkschaftsführer ermordet, über 50 mussten ihre Regionen verlassen, und über 6.000 der insgesamt 10.000 Beschäftigten wurden während des vergangenen Jahrzehnts ausgetauscht. Die Zahl unsrer Mitglieder bei Coca Cola sank von ehemals 2.500 auf nur noch 500. Doch auch den mit Hilfe des Unternehmens gegründeten neuen Mini-Gewerkschaften, die im Sinne von Coca Cola handeln sollen, ergeht es nicht gut, sobald sie zu viel fordern. Im vergangenen Jahr musste die unternehmertreue Kleinstgewerkschaft SINALTRAINBEC diese Erfahrung machen, als zwei ihrer Vertreter von Paramilitärs ermordet wurden.
2001 reichte die Gewerkschaft SINALTRAINAL eine Zivilklage gegen den Konzern in Florida ein. Wie sieht es aktuell aus?
Die Klage wurde zugelassen und befindet sich in der Phase der Beweisaufnahme. Wir wollen erreichen, dass die Verantwortung des Konzerns für die Übergriffe und Morde an Gewerkschaftern festgestellt wird, eine moralische und ökonomische Entschädigung für die Opfer erfolgt und auf die Situation der Gewerkschaften in Kolumbien aufmerksam gemacht wird. Unterstützt werden wir dabei von dem 20 Millionen Mitglieder fassenden US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, den Transportarbeitern der Teamsters, der Metallarbeitergewerkschaft, der Internationalen Union der Lebensmittelarbeitergewerkschaften (IUL).
Wie hat denn Coca Cola auf die Klage reagiert?
Coca Cola scheint sehr um das eigene Image besorgt zu sein. Sie streiten jede Verantwortung und Verwicklung in die Geschehnisse ab und haben eine Klage wegen Verleumdung und üble Nachrede gegen uns eingereicht. Auch die US-Regierung hat sich sehr für den Fall interessiert. Jetzt bekommen wir ständig Besuch von Vertretern des US-Außenministeriums und der US-Botschaft in Kolumbien, die uns sagen, die Weltlage sei nicht so, wie wir sie sehen, und wir sollten noch einmal überlegen, ob es nicht außergerichtliche Alternativen gibt, um Probleme zu lösen. Im Januar wurde in Bogotá auch ein ehemaliger Coca Cola-Arbeiter von Paramilitärs entführt und bedroht. Es wurde ihm gesagt, wenn er seine Aktivitäten fortsetze, würden sie ihn töten. Zwei weiteren Ex-Coca Cola-Arbeiter, die in dem Verfahren als Zeugen auftreten sollen, wurde mitgeteilt, die Paramilitärs würden sie suchen, um sie zu ermorden. Der Konzern soll damit nichts zu tun haben?
Wie sieht denn die Verwicklung des Staates in diese Verbrechen aus?
Die Paramilitärs sind integraler Bestandteil der staatlichen Strategie. Die Verbindungen der Armee zu den Paramilitärs sind so eng, dass die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im vergangenen Jahr die Paramilitärs als die "VI. Division der Streitkräfte" bezeichnete.
Welche Vorschläge hat SINALTRAINAL für die Zukunft Kolumbiens?
Aus unserer Sicht als Gewerkschaft im Lebensmittelsektor denken wir, dass es notwendig ist, die Monopole aufzulösen, eine Landreform durchzuführen, das Land zu demokratisieren, den Zentralismus des Staates abzuschaffen und den Regionen mehr Entscheidungsspielräume zu geben. Die Produktion sollte darauf ausgerichtet sein, eine regionale und nationale Lebensmittelselbstversorgung zu erzielen. Wir wollen ein Modell demokratischer Entwicklung, das dem neoliberalen Modell entgegensteht. Kolumbien gehört zu den reichsten Ländern der Welt, was Bodenschätze, Wasser, Anbauflächen, Biodiversität usw. betrifft, und gleichzeitig leben 26 der 43 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze, acht Millionen von ihnen gelten als mittellos und vier Millionen sterben an Hunger. Trotz seines immensen Reichtums gehört Kolumbien zu den zehn Ländern der Erde, in denen am meisten Menschen hungern.