Nach dem Abbruch der Gespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation ELN haben beide Seiten eine Militäroffensive begonnen

Kein Strom für Medellin

Die Gespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der zweitgrößten Guerilla des Landes, dem Ejército de Liberación Nacional (ELN), sind endgültig abgebrochen worden. ELN und Armee haben jeweils eine Militäroffensive begonnen, während die Herbizid-Besprühungen vermeintlicher Drogenanbaugebiete wieder aufgenommen wurden.

Zu Beginn der zweiten Augustwoche verkündete der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana das Ende der Gespräche mit dem ELN, da die Organisation keinen "wirklichen Friedenswillen" zeige. Pastrana behauptete, seine Regierung habe beim letzten Zusammentreffen Anfang August in Venezuela ihre Entschlossenheit verkündet, eine entmilitarisierte Zone auszurufen; doch als nahezu alles geregelt war, habe der ELN plötzlich neue Forderungen gestellt. Deshalb sei der von seiner Regierung initiierte Friedensprozess zusammengebrochen.

"Lügen sie nicht, Präsident" betitelte daraufhin der ELN ein Kommuniqué, in dem die Vorwürfe der Regierung zurückgewiesen werden. Die von den fünf höchsten Comandantes unterschriebene Erklärung zerstreute auch Gerüchte über tiefgreifende Differenzen innerhalb der Guerilla. Der ELN stellte zunächst klar, die Regierung Pastrana habe entgegen ihren Aussagen nie einen Friedensprozess mit der Guerilla begonnen.

Tatsächlich hält die kolumbianische Regierung den ELN seit Jahren hin. Den Willen, getroffene Vereinbarungen auch einzuhalten, hat sie bisher nicht gezeigt. Im April 2000 hatte die Regierung erstmals zugesagt, drei Gemeinden im Süden der Region Bolivar zu entmilitarisieren, um dem ELN die geplante Nationalkonvention zu ermöglichen. Kurze Zeit später verlangte sie Neuverhandlungen. Im Dezember vergangenen Jahres schließlich unterschrieben der ELN und die kolumbianische Regierung nach Gesprächen in Kuba ein 88 Punkte umfassendes Abkommen. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Regierung zur Entmilitarisierung der vom ELN geforderten Zone, sogar Verhaltensnormen in der Zone wurden ausgehandelt. Weiterhin legte sich die Regierung fest, in dem Gebiet keine weiteren Besprühungen von vermeintlichen Kokapflanzungen aus der Luft vorzunehmen, sondern für eine manuelle Beseitigung der Pflanzen zu sorgen.

Doch schon kurze Zeit später begann unter dem Titel "Operación Bolívar" eine große Offensive des Militärs in dem zu entmilitarisierenden Gebiet. Die Armee arbeitete dabei mit den rechtsextremnen Paramilitärs zusammen, über 1 000 von ihnen zogen bewaffnet in diese Region und ermordeten allein in der Stadt Barrancabermeja seit dem Beginn des Jahres über 600 Menschen. Die Dörfer und Siedlungen wurden von der Luftwaffe bombardiert, und die Besprühung mit dem Herbizid Glyfosat aus der Luft wurde verstärkt. Sogar Gebiete, in denen kein Koka angebaut wird, wurden besprüht. Der ELN brach daraufhin im März die Gespräche ab und forderte die Regierung auf, dem unterzeichneten Vertrag ohne Wenn und Aber nachzukommen und die von der Besprühung betroffenen Gemeinden zu entschädigen.

Einem neuerlichen Treffen in Venezuela stimmte der ELN erst zu, nachdem die Regierung Pastrana zugesagt hatte, das acht Monate zuvor unterschriebene Abkommen von Havanna zu erfüllen. In Venezuela wollte die kolumbianische Regierung davon jedoch nichts mehr wissen. Stattdessen schlug sie vor, die Größe der zu entmilitarisierenden Zone zu reduzieren oder sie zu verlegen. Das Treffen ging ergebnislos zu Ende.

Der ELN erklärte daraufhin seine Bereitschaft zu Gesprächen mit dem nächsten kolumbianischen Präsidenten, der im März des kommenden Jahres gewählt werden soll, und kündigte eine Verstärkung seiner Aktionen an. Die Regierung ihrerseits erneuerte die Haftbefehle gegen verschiedene ELN-Mitglieder, verschärfte die Haftbedingungen für die zwei ELN-Comandantes Francisco Galán und Felipe Torres und kündigte eine neue Militäroffensive gegen die Guerilla an.

Die Aktionen des ELN ließen nicht lange auf sich warten. Allein in der ersten Woche besetzten Guerillas Ortschaften in verschiedenen Regionen Kolumbiens, griffen die dortigen Polizeikommandaturen an und raubten eine Bank aus. Auf die wichtigste Erdölpipeline des Landes wurde ein Anschlag verübt, neun Hauptstrommasten um Medellin wurden gesprengt, wodurch auch die Stromzufuhr für die U-Bahn Medellins unterbrochen wurde. Verschiedene Einheiten des ELN blockierten die wichtigsten Verbindungsstraßen Kolumbiens, darunter die von Medellin nach Bogota, verbrannten an mehreren Orten zahlreiche Lkw, entführten mindestens acht Soldaten und Polizisten und töteten bei Gefechten etwa ebenso viele.

Am Dienstag vergangener Woche erreichte eine aus 68 Personen bestehende internationale Friedenskarawane für die von Paramilitärs und Armee terrorisierte Bevölkerung den Süden der Region Bolivar, dem ursprünglich zu entmilitarisierenden Gebiet. Nach einer Woche des Herumirrens konnten nun endlich Hilfsgüter und Spenden übergeben werden. Die Karawane war von den Paramilitärorganisationen No al Despeje und Asocipaz, die der internationalen Delegation vorwerfen, mit dem ELN zu sympathisieren, immer wieder aufgehalten und bedroht worden.

In der Region wurden jedoch auch die Besprühungen aus der Luft mit Glyfosat wieder aufgenommen, wie Bauern und Gemeindeverwaltungen berichteten. Gleiches droht nun auch anderen Regionen Kolumbiens. Erst Ende Juli hatten verschiedene indianische Gemeinden einen Antrag auf ein Verbot der Besprühungen der Koka-Anbauflächen mit Glyfosat gestellt. Der zuständige Richter eines Zivilgerichts in Bogotá verfügte eine 15tägige Aussetzung. Für die US-amerikanische Botschafterin in Kolumbien, Ann Patterson, war das schon Grund genug, der kolumbianischen Regierung anzudrohen, das Ende der Besprühungen aus der Luft würde sofortige Folgen für die Unterstützung des Plan Colombia von Seiten der USA haben.

Die Drohung, US-Finanzhilfen zu streichen, wirkte, und am Ende der ersten Augustwoche hob das Gericht die Aussetzung wieder auf. Es seien nicht die Besprühungen, die die Natur zerstörten, so die Begründung, sondern der illegale Anbau und die weitere Verarbeitung der Koka-Blätter. Der kolumbianische Justizminister Rómulo González befand sogar, Haushaltsputzmittel seien gesundheitsschädlicher als Glyfosat. Tatsächlich aber führt das vom Chemiekonzern Monsanto unter dem Markennamen Round-up vertriebene Herbizid Glyfosat zu schweren gesundheitlichen Schäden bei der betroffenen Bevölkerung sowie zur Vernichtung aller Nutzpflanzen und zur Verseuchung von Quellen und Gewässern.

Die Besprühungen haben die Situation für die bäuerliche Bevölkerung, die unter den sinkenden Weltmarktpreisen für ihre Produkte und den hohen Transportkosten leidet, weiter verschlechtert. In der ersten Augusthälfte blockierten zehntausende von Bauern in 250 Gemeinden die wichtigsten Verbindungsstraßen und forderten staatliche Unterstützungsleistungen.


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