Die USA intervenieren immer stärker in einem Konflikt, den sie nicht gewinnen können
Das neue kolumbianische Kriegsmodell
Mit der Umsetzung des Plan Colombia intensivieren die USA den Kampf gegen die Guerillas FARC und ELN. Eine massive Aufrüstung der kolumbianischen Armee und ein zunehmender Einsatz privater Sicherheitsfirmen sollen die Paramilitärs künftig überflüssig machen. Als Ziel des Krieges bleibt vermutlich nur die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Kolumbien.
Im Schatten des Afghanistankrieges drohten die USA, auch die kolumbianischen Guerillas ins Visier zu nehmen. Dabei hatten die USA die Weichen zur Bekämpfung der Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und des Nationalen Befreiungsheeres (ELN) schon ein Jahr zuvor gestellt. Der gemeinsam mit der Regierung Pastrana im Jahr 2000 initiierte Plan Colombia sollte das immer weiter zu Gunsten der Guerillaorganisationen und sozialen Bewegungen kippende Gleichgewicht wieder umkehren. Das Gesamtvolumen des Plan Colombia betrug 7,6 Milliarden US-Dollar, etwa vier Milliarden davon soll Kolumbien selbst aufbringen. Damit stieg die Militär- und Polizeihilfe der USA für Kolumbien, die sich 1997 noch auf 89 Millionen US-Dollar belief, auf 765 Millionen im Jahr 2000. Für das Jahr 2005 wird sie auf 574 Millionen US-Dollar geschätzt.
Die USA haben sich mit dem Plan Colombia offen in einen grausamen Konflikt eingemischt. Denn Kolumbien gehört zu den Ländern mit den weltweit schwersten Menschenrechtsverletzungen. Allein im Jahr 2001 wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Codhes 350.000 Menschen vertrieben. Insgesamt gibt es im Land über 2,5 Millionen interne Flüchtlinge. Dem Terror fallen jährlich mehr Menschen zum Opfer als während der gesamten chilenischen Militärdiktatur. Nur der geringste Teil davon ist Folge direkter Kriegshandlungen zwischen Guerilla und Militär oder Paramilitärs. Codhes registrierte 2002 über 500 Massaker mit 2.500 Toten, 4.500 politische Morde, über 700 Verschwundene und ebenso viele willkürliche Verhaftungen. Für den größten Teil der schweren Menschenrechtsverletzungen und Massaker werden heute nicht mehr, wie noch in den 80er Jahren, Armee und staatliche Repressionsorgane verantwortlich gemacht, sondern die Paramilitärs.
Kriegsfaktoren und US-Interessen
Dem Konflikt liegen drei wesentliche Faktoren zu Grunde. Zwei davon erklären das massive Interesse der USA an Kolumbien. Da ist zunächst die herausragende geostrategische Lage des Landes. Kolumbien ist der einzige südamerikanische Staat mit einem Zugang zum Atlantik und Pazifik. Mit fünf Außengrenzen ausgestattet, gilt das Land als Handelsknoten. Daher bestehen sowohl Pläne für einen Weiterbau der Panamericana wie auch für eine Verbindung, die dem völlig ausgelasteten Panamakanal die Funktion als bedeutendste interozeanische Handelsroute streitig machen soll. Auch im Hinblick auf die geplante gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA ist die Verfügungsgewalt über das kolumbianische Territorium für die USA von großer Bedeutung.
Zweitens ist Kolumbien reich. Das Land ist weltweit größter Exporteur von Qualitätskaffee und Smaragden, zweitwichtigster Schnittblumen- und Bananenexporteur, drittgrößter lateinamerikanischer Erdölproduzent, und es verfügt über große Rohstoffvorkommen, wie Kohle oder Gold. Nicht zufällig investieren 400 der 500 größten US-amerikanischen Unternehmen in dem Land, das für die USA als Erdöllieferant an fünfter Stelle steht. Im Widerspruch dazu leben heute 55 Prozent der kolumbianischen Bevölkerung in Armut, 20 Prozent in absolutem Elend. Doch die kolumbianische Oberschicht hat seit über 180 Jahren konsequent mit Repressionen und blankem Terror auf die sozialen Widersprüche reagiert.
Deshalb ist der dritte grundlegende Faktor im kolumbianischen Konflikt in der Geschichte zu suchen. Das Land hat ein extrem hohes Gewaltniveau und mit über 70 Toten pro 10.000 EinwohnerInnen die höchste Mordrate.
Der Kampf gegen die „Narcoguerilla“
Die USA versuchen dagegen den kolumbianischen Konflikt mit dem Drogenhandel in Verbindung zu bringen. Tatsächlich jedoch spielt die Drogenökonomie nur bei den Paramilitärs eine zentrale Rolle. Seitens der beiden großen Guerillas besteht ein unterschiedlicher Umgang mit dem Drogenanbau und -handel. Die FARC besteuert in den Gebieten unter ihrer Kontrolle die Geschäfte der Händler, schützt die Landbevölkerung vor den „Narcos“ und garantiert ihnen Verkaufspreise. Der Drogenhandel ist nur eine von vielen Einnahmequellen. Die ELN hingegen lehnt den Koka-Anbau insgesamt ab und erhebt keine Steuern auf Drogenhandel. Sie fördert sogar sozio-ökonomische Maßnahmen zur Substitution des Drogenanbaus.
Mit der These von der „Narcoguerilla“ geht es den USA eher darum, die FARC und die ELN zum Angriffsziel zu machen. Während die USA und die kolumbianische Regierung vorgaben, mit dem Plan Colombia das Drogenproblem lösen zu wollen, deutet dessen Umsetzung auf etwas anderes hin: Von den 1,6 Milliarden US-Dollar, die die USA bisher beisteuerten, sind nur 145 Millionen für alternative sozio-ökonomische Projekte – wie die Umstellung von Drogenanbau auf andere landwirtschaftliche Produkte – und bescheidene 93 Millionen für „die Verbesserung der Menschenrechtssituation und der Justiz, sowie für die Stärkung demokratischer Institutionen“ vorgesehen. Der Rest kam in Form von Waffen und Kriegsgerät. Als effektives Mittel gegen das Kokabusiness ist der Plan Colombia also denkbar ungeeignet. Eine militärische Zerschlagung des Drogengeschäfts ist ohnehin unmöglich. So zielt der Plan Colombia auf die massive Aufrüstung der Armee ab. Kolumbien musste nicht einmal eine Pro-Forma-Erklärung unterschreiben, dass die mit Nachtsichtgeräten und hoch entwickelten Waffen ausgestatteten 30 Blackhawk- und 33 Bell-Hubschrauber, Bestandteile der Unterstützung aus den USA, ausschließlich zur Bekämpfung des Drogenhandels eingesetzt werden. Und so kommen die Hubschrauber auch bereits in der „Aufstandsbekämpfung“ zum Einsatz. Sie bombardieren Dörfer und besprühen weiträumig Anbaugebiete.
Der Plan Colombia vervielfachte die Zahl der Berufssoldaten und verzwanzigfachte die der Armeehubschrauber, Überwachungsflugzeuge und Militärberater. Zugleich stieg die Anzahl der hauptsächlich in den „Vereinten Selbstverteidigungskräften Kolumbiens“ (AUC) organisierten „Paramilitärs“ von 5.000 auf 13.000. Das primäre Ziel der in den 1950er Jahren entstandenen, formell illegalen Todesschwadr