Staatsanwalt Anderson ermittelte gegen mächtige Personen aus Wirtschaft und Politik, die in den Putsch vom 11.4.2002 verwickelt waren In der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche,zerriss eine Bombe in Caracas das Auto des venezolanischen Staatsanwaltes Danilo Anderson. Die Sprengladung war so stark, dass es Stunden dauerte, bevor seine Leiche identifiziert werden konnte. An einem politischen Hintergrund des Anschlags besteht kein Zweifel, obwohl kein Bekennerschreiben vorliegt. Der 38jährige Anderson war Staatsanwalt für Umweltkriminalität und mit der Befugnis ausgestattet, auch in anderen Fragen auf nationaler Ebene Anklage zu erheben.

Terroranschlag auf Staatsanwalt in Venezuela

In der weitgehend von der rechten Opposition zur Regierung von Präsident Hugo Chávez dominierten Justiz war der junge Staatsanwalt eine der wenigen mutigen Personen, die gegen die in den Putsch verwickelten Mächtigen aus Wirtschaft und Politik ermittelten. Er eröffnete ein Verfahren gegen die oppositionell geleitete Polizei der Hauptstadt, die beim Putsch am 11. April 2002 das Feuer auf die Bevölkerung eröffnete und mehrere Personen tötete. Anderson klagte in diesem Zusammenhang den ehemaligen Bürgermeister und den Ex-Polizeichef an. Auf seine Initiative hin wurde auch das Verfahren gegen Capriles Radonksy, Bürgermeister eines wohlhabenden Distrikts von Caracas, eröffnet, der während des Putsches den Sturm auf die kubanische Botschaft anführte. Vor wenigen Wochen erst hatte Anderson begonnen, die 400 Unterzeichner des Selbstermächtigungsdekrets des Putschpräsidenten und damaligen Vorsitzenden des Unternehmerverbandes Carmona Estanga zu Verhören vorzuladen.

Anderson war in der Vergangenheit immer wieder Zielscheibe medialer Angriffe und Hetze gewesen. In Folge wurde er einmal in einem Einkaufszentrum von mehreren Personen angegriffen. In einem Interview Ende September erklärte er, es sei versucht worden ihn zu bestechen und er habe Morddrohungen erhalten, da er es wage, gegen "die in Venezuela existierende Gesellschaft der Unberührbaren" vorzugehen.

Die Attentäter wollten offensichtlich auf Nummer sicher gehen. Nach ersten Ermittlungen wurde ein Sprengsatz mit C4-Sprengstoff unter dem Vordersitz seines Wagens deponiert und entweder über eine Fernsteuerung oder über Andersons Mobiltelefon gezündet. Die Attentäter besaßen scheinbar auch detaillierte Informationen über die Bewegungen des Staatsanwaltes, der die meiste Zeit über Personenschutz verfügte. Mit dem professionellen Bombenanschlag erlangt der Terror gegen den Transformationsprozess in Venezuela eine neue Qualität. In den vergangenen Jahren wurden zwar etwa 130 Aktivisten regierungsnaher Bewegungen, meist Bauernführer, ermordet, doch sie wurden von Killern erschossen.

Kommunikations- und Informationsminister Andrés Izarra erklärte es handele sich um einen politischen Mord zur Einschüchterung der venezolanischen Justiz. Und er verlangte von der US-Regierung Aufklärung bezüglich diverser Gruppen mit Sitz in den USA, die offen verkünden, Terroranschläge in Venezuela vorzubereiten. Darunter auch das Comando F4, eine Terrororganisation von Exilkubanern, die in Florida militärische Ausbildungslager unterhält und sich auf ihrer Webseite seit 2002 mit der Ausbildung venezolanischer Oppositioneller schmückt. Zu der Ausbildung gehörten auch Bomben mit Fernzündung.

Vizepräsident Vicente Rangel forderte Aufklärung und Ermittlungen durch die USA bezüglich des venezolanischen TV-Journalisten Orlando Urdaneta, der aus Miami in einer Fernsehsendung kürzlich erklärte, die Probleme Venezuelas würden "mit einem Gewehr mit Zielfernrohr gelöst" werden, der Befehl für ein Attentat auf Chávez sei bereits erteilt worden und es würde für Terroranschläge mit israelischen Spezialisten zusammen gearbeitet.

Am Tag nach dem Anschlag versammelten sich spontan Tausende vor dem Sitz der Staatsanwaltschaft, wo der Sarg von Danilo Anderson aufgebahrt wurde. In Sprechchören forderten sie immer wieder eine Säuberung der Staatsanwaltschaft und Justiz. Am frühen Abend trug die Menge den Sarg zur Nationalversammlung. Tausende säumten die Straßen, klatschten Beifall, riefen Losungen, weinten und hielten Blumen in den Händen. Anderson erhielt post mortem den höchsten Orden der Republik und es wurde eine dreitägige Staatstrauer verordnet. Am Samstag begleiteten Tausende Andersons Begräbnis.


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