Vor Ort: Schweres Los guatemaltekischer Bauern im mexikanischen Cieneguitos
Lagerleben als entwürdigender Dauerzustand
Im Flüchtlingslager Cieneguitos leben 329 Familien, insgesamt etwa 1.500 Personen. Das Lager befindet sich in der mexikanischen Region Chiapas, nahe der Grenzstadt Comitan. Für viele der Flüchtlinge in Cieneguitos ist die vermeintliche Übergangssituation zum Dauerzustand geworden. Wer jedoch ohne Sondergenehmigung außerhalb des Lagers angetroffen wird, dem droht die Abschiebung nach Guatemala. Zwar gibt es hier Werkstätten, in denen sowohl ausgebildet als auch produziert wird, doch die meisten der Flüchtlinge sind früher in der Landwirtschaft tätig gewesen. Die mexikanische Regierungsinstitution zur Betreuung der Flüchtlinge COMAR beliefert das Lager mit Lebensmitteln, hält jedoch nicht einmal die Mindestnahrungsrationen der Welternährungsorganisation ein. Die Gesundheitsstation von Cieneguitos wird vom Hospital in Comitan mitversorgt, ist jedoch selten geöffnet, da guatemaltekisches Personal von den mexikanischen Behörden nicht zugelassen wird.
Trotz allem geht es den Flüchtlingen in der Grenzregion besser als ihren etwa 40.000 Leidensgefährten, die wegen wiederholter Überfälle des guatemaltekischen Militärs in Regionen umgesiedelt wurden, in denen sie völlig andere klimatische Bedingungen vorfinden und zur Arbeit als Tagelöhner gezwungen sind.
Die erste Hürde für die Immigranten stellt die Anerkennung als Flüchtlinge dar, denn in der Illegalität erhalten sie nur eingeschränkte oder gar keine Hilfeleistungen. Von etwa 160.000 guatemaltekischen Flüchtlingen sind nur knapp 40.000, von 120.000 Flüchtlingen aus El Salvador sogar nur etwa 4.000 anerkannt. Das führt zu massiven Abschiebungen. Wieder in Guatemala erwartet sie andauernde Massaker, Gefängnis, Folter, Entführtwerden durch die Armee oder aber Militärdienst und Zwangsansiedlung in Modelldörfern unter militärischer Kontrolle. Lediglich Nikaragua bildete zu Zeiten der sandinistischen Regierung eine löbliche Ausnahme, ansonsten sind die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern und der Umgang der Regierungen mit den eineinhalb bis zweieinhalb Millionen Flüchtlingen in ganz Zentralamerika ähnlich schlecht. Hinzu kommen noch etwa 850.000 Menschen, die sich innerhalb ihrer Länder auf der Flucht befinden oder zwangumgesiedelt wurden. Ferner sind nocheinmal weit über eine Million in die USA geflohen. Mit rund einer Million stellen die Salvadorianer den größten Anteil aller Migranten in Zentralamerika. Insgesamt leben hier etwa 600.000 Flüchtlinge in festen Lagern, von denen bisher nur 150.000 anerkannt sind.
Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Zahl der Flüchtlinge und der Zahl der von den internationalen Organisationen offiziell anerkannten und unterstützten Menschen veranlasst dazu, die Anerkennungskriterien dieser Organisationen in Frage zu stellen. Sie beruhen doch meist noch auf der Annahme jede Flucht müsse individuell zu begründen sein. Die realen Lebensbedingungen führen aber oft zur kollektiven Flucht ganzer Dorfgemeinschaften und weitgehender Entvölkerung gesamter Regionen. Infolgedessen wäre eine angepasste Reaktion der UNO und der Aufnahmestaaten notwendig, die indes bislang ausgeblieben ist.