Venezuela: Gegner des Präsidenten wollen ihre »Protestaktionen« weiter verschärfen

Drohungen gegen Chávez

Die Anfang Dezember letzten Jahres von der Opposition begonnenen Proteste gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sollen weiter verschärft werden. Nachdem die Gegner des Staatschefs zunächst angekündigt hatten, alle Steuerzahlungen zu verweigern, schlug der Sprecher des rechten Gewerkschaftsverbandes CTV, Carlos Ortega, nun vor, einen Boykott der Strom- und Wasserzahlungen in die Wege zu leiten.

Ortega bekräftigte, der »Streik« werde nicht an Intensität nachlassen. In den nächsten Tagen würden sich auch noch die Beschäftigten aus dem Transportsektor anschließen. Dem widersprachen diese jedoch vehement. 32 Transportarbeitergewerkschaften erklärten, sie verurteilten den Ausstand und würden sich daran – wie auch zuvor an den anderen Streiks – nicht beteiligen. Richard Manbele, Sekretär der Nationalen Transportkommission, betonte, die Transportarbeiter seien Opfer von Anschlägen der Opposition, die »Fahrzeuge niedergebrannt, Fahrer tätlich angegriffen und Straßen blockiert« habe, während die Medien dazu schwiegen.

Ende vergangener Woche erfolgte auch eine zweitägige Schließung der Banken. Dabei handelt es sich um den Versuch, die Chávez-Regierung auf finanziellem Wege in die Knie zu zwingen. Während der zwei Tage sollten weder Filialen geöffnet, noch Bankautomaten aufgefüllt werden.

Der Streik war just ausgerufen worden, nachdem die Regierung ein Dekret zur Öffnung der Banken erließ, da diese »einen grundlegenden Dienst leisteten und diesen auch garantieren müssen«. Laut Augenzeugen öffnete jedoch der Großteil der Filialen, wie in den vergangenen Wochen mit eingeschränkten Betriebszeiten. Nur im wohlhabenden Osten von Caracas blieben die Banken geschlossen. Die meisten Menschen hatten ihre Bankgeschäfte aber bereits in den vorherigen Tagen erledigt. Aníbal Galindo, Sprecher der linken Gewerkschaft Fuerza Bolivariana de Trabajadores (FBT), erklärte, der Streik sei rundum gescheitert, da 95 Prozent der Finanzinstitute ihre Türen geöffnet hätten. José Elías Torres, Präsident der Koordination von Gewerkschaften der Bankangestellten Fetrabanca, bezeichnete den Streik hingegen als »vollen Erfolg« – mit einer Beteiligung von über 80 Prozent der Angestellten. Allerdings vertritt Fetrabanca nur etwa 1,7 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Bankangestellten, während zahlreiche weitere Gewerkschaften – darunter Sutraban, Sintrabiv, Asitrabanca, Fetrabanvene –, die über 70 Prozent der Beschäftigten repräsentieren, sich nicht an dem Ausstand beteiligten. Sie kündigten zudem die Gründung eines neuen Dachverbandes an, da Fetrabanca »eine leere Hülle ist, die von der CTV mißbraucht wird«. Der Verband habe sogar im Namen von Gewerkschaften zum Streik aufgerufen, die ihm weder angehören, noch den Streik unterstützen.

Auch der angekündigte Streik im Erziehungssektor nach Ende der Weihnachtsferien ist nicht von großem Erfolg gekrönt. An vielen Schulen, vor allem privaten, aber auch öffentlichen in oppositionell kontrollierten Bundesstaaten, erzwangen aufgebrachte Eltern die Öffnung der Bildungseinrichtungen. Eltern- und Nachbarschaftsvereine arbeiten gemeinsam mit Studentengruppen und der »Bolivariansichen Koordination sozialer Organisationen« am Aufbau kommunaler Unterrichtsstrukturen.

An den verschiedenen Universitäten des Landes ist die Situation verworren. Während verschiedene Fachbereiche und Universitätsversammlungen beschlossen, zum Ende der Winterpause den Studienbetrieb wieder regulär aufzunehmen, wiesen zahlreiche Rektoren die Schließung der Universitäten an. Daher kam es in den vergangenen Tagen an allen Universitäten zu massiven Protesten.

Hugo Chávez forderte Eltern und Mitarbeiter von Schulen dazu auf, sich vorzubereiten, um »Grundschulen, Oberschulen und Erziehungseinrichtungen zu übernehmen«. Dies sei angesichts der Weigerung einiger Rektoren und Gouverneure, die Schulen zu öffnen, notwendig. Darüber hinaus sollen die staatlichen Zahlungen an Schulen und Universitäten, die ihre Pforten geschlossen halten, eingestellt werden.

Der Präsident kündigte an, er sei bereit, auch das Militär zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung mit Lebensmitteln einzusetzen, sollte dies nötig sein. Die meisten großen und transnationalen Lebensmittelunternehmen unterstützen den Streik und halten Millionen Tonnen Grundnahrungsmittel in großen Lagerhallen fest. Die venezolanische Regierung hatte in den vergangenen Wochen bereits mehrmals Lebensmittel importiert. Chávez erklärte, die Armee sei bereits angewiesen worden, Pläne für die Übernahme von Lebensmittelfabriken und die Durchsuchung von Lagerhallen vorzubereiten.

Ende vergangener Woche verteilte Präsident Chávez auch 1100 Grundbesitztitel in einem Armenviertel von Caracas. Eine Maßnahme im Rahmen einer riesigen Legalisierungskampagne für die Nutzung des Landes, das sich die arme Bevölkerung in den Städten angeeignet hat, um ihre Hütten und Häuser zu errichten. Die Legalisierungen erfolgen in Absprache mit örtlichen Komitees für städtisches Land (CTU).

Indes wurde anhand von Aufnahmen der BBC und anderer Sender deutlich, daß die Verantwortung für die Erschießung zweier Regierungsanhänger während einer Kundgebung gegen die erste Demonstration der Opposition im Jahr 2003 bei der oppositionell kontrollierten Stadtpolizei liegt. Zwei der zivil gekleideten Schützen wurden mittlerweile identifiziert. Bei einem handelt es sich um einen ehemaligen Polizisten, der für den oppositionellen Bürgermeister von Caracas arbeitet, bei dem anderen – der für den Tod von einem der Chávez-Anhänger verantwortlich sein soll – um den vermeintlichen »Sicherheitschef« der am Putsch vom Frühjahr 2002 beteiligten Militärs. Die venezolanischen Medien, die zum größten Teil von der Opposition kontrolliert werden, hatten hingegen versucht, die Regierung eines Hinterhalts gegen die oppositionelle Demonstration zu beschuldigen.

Unbekannte verübten auch einen Handgranatenanschlag auf die algerische Botschaft in Caracas. Algerien hatte erst kürzlich seine Bereitschaft erklärt, die venezolanische Regierung bei der Wiederinbetriebnahme der Erdölindustrie zu unterstützen. Das staatliche Erdölunternehmen PDVSA befindet sich seit Ende Dezember wieder unter Kontrolle der Regierung, die an der vollen Wiederaufnahme der Produktion arbeitet. Dies soll Ende Januar der Fall sein. Rafael Ramírez, Minister für Energie und Bergbau, kündigte eine schnelle Umstrukturierung der PDVSA an. Im Zentrum stehe der massive Abbau der Bürokratie. 2000 höhere Angestellte, die führend bei der Sabotage des Erdölunternehmens waren, wurden bereits entlassen, weitere sollen folgen.