Protestcamp ihrer Frauen vor Regierungssitz in Chiapas

Mexiko: 100 Zapatisten im Hungerstreik

Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas sind 100 zapatistische Gefangene in den Hungerstreik getreten. Sie und ihre Angehörigen fordern unter anderem die Wiederaufnahme des Dialogs Zapatisten - Regierung.

Das einzige Verbrechen, das unsere Männer begangen haben, besteht darin, dass sie einen Kampf führen, damit es unseren Kindern besser geht«, sagen die Ehefrauen und Verwandten der 103 Zapatisten, die sich seit Anfang August in den Gefängnissen von Chiapas im Hungerstreik befinden und die Nahrungsaufnahme zunächst bis zum 30. August verweigern wollen. Die Frauen sind mit ihren Kindern aus verschiedenen Gemeinden in Norden von Chiapas und aus den zwischen April und Juni von Polizei und Militär geräumten autonomen zapatistischen Landkreisen nach Tuxtla Gutierrez, die Hauptstadt von Chiapas, gekommen.

Dort haben sie jetzt vor dem Regierungspalast ein Protestcamp errichtet, um den Hungerstreik ihrer Angehörigen zu unterstützen. »Wir haben diese Aktion den Streik der Macheten genannt«, erläutern sie, »weil die Macheten unserer Gefährten auf dem Boden liegen, seit sie nicht mehr bei uns sind. Sie können nicht mehr arbeiten, nun sind wir ganz auf uns gestellt.«

Die meisten Gefangenen wurden während der Räumung mehrerer der 32 zapatistischen autonomen Landkreise verhaftet, einige sitzen auch schon länger. Die Vorwürfe lauten bei den meisten auf verfassungswidriges Vorgehen wegen der Errichtung der autonomen Strukturen, bei einigen anderen auch auf Zugehörigkeit zu bewaffneten Banden, Mord und vieles mehr, doch Beweise wurden bisher nicht vorgelegt.

Für viele der Frauen ist es das erste Mal, daß sie in die Stadt kommen, doch trotz der ungewohnten Situation, trotz vieler Einschüchterungsversuche und Räumungsdrohungen der Polizei sind die Frauen zum Durchhalten entschlossen. Sie verlangen die Freilassung ihrer Männer und den Abzug von Armee und Polizei aus ihren Gemeinden. Sie klagen: »Die Militarisierung unserer Gebiete hat nur Drogen, Alkohol, Überfälle, Prostitution und Vergewaltigungen gebracht, unsere Familien werden in die Berge vertrieben, man läßt uns nicht mehr auf unsere Felder und in unsere Häuser.«

Vergangenen Mittwoch führten die rund 100 Frauen eine Kundgebung vor dem Gefängnis von Cerro Hueco in Tuxtla Gutierrez durch, in dem sich der Großteil der Inhaftierten befindet. Währenddessen kündigte die Regierung von Chiapas an, sie werde dem »politischen Druck nicht nachgeben«. Über die Freilassung ihrer Männer und Söhne hinaus verlangen die Frauen die Erfüllung der zwischen Regierung und Zapatisten geschlossenen Abkommen von San Andrés, die Wiederaufnahme von Verhandlungen sowie die Auflösung der paramilitärischen Gruppen, die für mehrere Morde und Vertreibungen verantwortlich sind.

Die Gespräche zwischen der Regierung und dem Zapatistischen Nationalen Befreiungsheer (EZLN) sind seit nunmehr zwei Jahren unterbrochen. Seither hat die mexikanischen Regierung nichts unternommen, um einer friedlichen Lösung des Konflikts näherzukommen. Im Gegenteil: Die von Regierung und EZLN unterschriebenen Abkommen von San Andrés wurden von der Regierung nicht umgesetzt. Einerseits wird der Aufbau paramilitärischer Gruppen massiv vorangetrieben und andererseits wurden autonome Landkreise geräumt. Diese Repressionsmaßnahmen hatten in Chiapas während der letzten 24 Monate den Tod von mehr als 100 Indianern und die Flucht von 17 000 Menschen zur Folge.

Gleichzeitig versucht die mexikanische Regierung die Weltöffentlichkeit von dem Geschehen in Chiapas fernzuhalten. Internationale Beobachter und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden mit der Begründung, sie würden »politische Aktivitäten« durchführen, des Landes verwiesen. Zuletzt traf es den US-Amerikaner Steven Brown, der den Bau einer Schule in einer zapatistischen Gemeinde leitete. Ihm wurde »Einmischung in das Erziehungswesen der mexikanischen Republik« vorgeworfen.

Mittlerweile laufen in Chiapas die Vorbereitungen für die Wahlen im Oktober auf Hochtouren. Die regierende Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) hat eine massive Wahlkampagne begonnen und verteilt freigiebig Gelder, Baumaterialien und Saatgut. Kürzlich veranstaltete ein PRI-Kandidat gar eine Lotterie, bei der Maschinenpistolen und andere Waffen verlost wurden.