Studierendenproteste in der Dominikanischen Republik

"Wir wollen eine anti-neoliberale Front"

Felipe Ledesma ist der nationale Koordinator der linken Jugendorganisation Fuerza Juvenil Dominicana (FJD) der Dominikanischen Republik. Zu seiner Einschätzung der sozialen Protestbewegung im Land befragte ihn Dario Azzellini.

Dario Azzellini: Die Dominikanische Republik wird meist nur mit Stränden und Rum in Verbindung gebracht. Nahezu unbekannt ist die Vielfalt an sozialen Bewegungen im Land und die Repression gegen diese. So gab es in den vergangenen Jahren bei den Mobilisierungen in Armenstadtteilen gegen Stromausfälle und infrastrukturelle Benachteiligung wiederholt Tote - DemonstrantInnen, die von der Polizei erschossen wurden...

Felipe Ledesma: Die erste Stufe der gesellschaftlichen Repression ist ja schon das massive Abdrängen in die Armut. Wenn sich die Menschen damit aber nicht abfinden und Proteste gegen die hohen Kosten für den Lebensunterhalt, die Stromausfälle usw. organisieren, dann antwortet die Regierung mit noch mehr Repression. Sie bietet keinen Spielraum für Verhandlungen oder Gespräche, sondern versucht, die Bewegungen zu zerschlagen. Auch in den Universitäten hat die Repression zugenommen. Im Jahr 2002 etwa wurden 20 Studierende, die die Kämpfe gegen die Privatisierung anführten, aus den Universitäten ausgeschlossen. Doch die Einschüchterung wirkt nicht und die Leute kämpfen weiter.

Die StudentInnen gehören zu den Sektoren in der Dominikanischen Republik, die am stärksten zu Protesten mobilisieren. Was sind ihre Forderungen?

Die Kämpfe der UniversitätsstudentInnen richten sich seit langer Zeit vorwiegend gegen die Privatisierung der Hochschulbildung. Doch in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Kampf ausgeweitet. Gemeinsam mit der StudentInnenorganisation "Föderation Dominikanischer Studenten" (FED) setzen wir uns für den Erhalt der öffentlichen und kostenfreien Bildung insgesamt ein. In der Dominikanischen Republik sind etwa 70 Prozent der Bevölkerung sehr arm. Das bedeutet, dass das Schulsystem gratis sein muss. Die Regierung sieht aber im Rahmen ihrer neoliberalen Politik die Privatisierung der höheren Schulbildung und der Hochschulen vor. Dagegen mobilisieren wir in den Universitäten, in den Schulen und auf der Straße.

Gelingt es denn, die vielen Bewegungen aus den Armenstadtteilen, die StudentInnen und die Campesin@s (1) zusammenzubringen, um die Kräfte zu bündeln und ein alternatives politisches Projekt zu entwerfen?
Das ist ein schwieriger Weg, denn es gibt jede Menge Sektierertum in den Bewegungen - und es gibt historische Entwicklungen, die eine solche Einheit erschweren. Aber es gibt Aktionsbündnisse, gemeinsame Kampftage etc. - und das Engagement, auf ein solches gemeinsames Projekt hinzuarbeiten, wird immer stärker.

Was sind die Hauptziele deiner Organisation?

Wir wollen zu der Einheit beitragen, daher arbeiten wir für die Entstehung einer einzigen breiten linken basisorientierten Jugendorganisation in der Dominikanischen Republik und für die Schaffung einer einzigen linken Koordination der studentischen Organisationen. Bislang gibt es noch mehrere davon. Politisch drängen wir als Jugendorganisation auch die anderen linken Organisationen zur Einheit und plädieren für die Gründung einer breiten alternativen Front, die basisorientiert, anti-neoliberal, progressiv und demokratisch ist.

Obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung schwarz ist, ist ein schwerwiegendes Problem in der Dominikanischen Republik der Rassismus - sowohl von seiten der herrschenden Klasse, die meist weiß oder sehr hell ist, als auch in der Bevölkerung selbst, gegen die MigrantInnen aus dem anderen Inselteil, der Republik Haiti.

Die dominikanische Gesellschaft ist sehr gemischt, aber mehrheitlich schwarz. Dennoch ist das rassistische koloniale Erbe sehr präsent. Offiziell gelten z.B. nur 15 Prozent der Bevölkerung als "schwarz", denn schwarz gilt als schlecht - und schwarz sind in der herrschenden Propaganda nur die HaitianerInnen. Die rechten Sektoren, die an der Macht sind und auch die Medien wesentlich kontrollieren, führen eine regelrechte rassistische Hetzkampagne gegen die HaitianerInnen durch, die als "die Schwarzen" gelten. Diese Kampagne stellt die Menschen aus Haiti als faul dar und als ÜberträgerInnen von Krankheiten. Aber es gibt auch eine starke Bewegung dagegen, die auf Solidarität mit der Bevölkerung Haitis setzt.

Anmerkung:
1) @ ist die spanische Entsprechung des deutschen großen I, etwa in "StudentInnen".