Rätsel um verschwundenen kolumbianischen Paramilitärführer: Mord als Strafe für Kooperation mit USA?
Auf der Suche nach Castaño
Das Schicksal von Carlos Castaño, des Gründers der kolumbianischen Paramilitärs, ist weiter unbekannt. Seit am 16. April laut seiner Ehefrau ein Attentat auf ihn verübt wurde, brodelt es in der Gerüchteküche. Bei dem Anschlag sollen vier der Leibwächter Castaños getötet worden sein. Castaño selbst aber sei die Flucht gelungen; er halte sich derzeit versteckt. Castaños Ehefrau Kenia Gómez, die Staatsanwaltschaft und das Militär sind der Auffassung, daß der Führer der Paramilitärs von einem Kommando aus den eigenen Reihen attackiert worden sei. Der militärische Chef der rechtsgerichteten Paramilitärs der Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AUC), Salvatore Mancuso, erklärte hingegen, es habe sich um einen »versehentlichen Schußwechsel unter Einheiten der AUC« gehandelt. Castaño sei am Leben und werde bald wieder auftauchen.
Die andere Version ist, daß Castaño ermordet wurde, weil seine Positionen zu Drogenhandel und den US-Auslieferungsersuchen gegen Führer der Paramilitärs umstritten waren. Laut »gut informierter Quellen«, so berichtete jetzt der rechte Radiosender Caracol, sei der Mord an Castaño von anderen Paramilitärkommandeuren beschlossen worden, nachdem Castaño bekanntgab, vor der US-Justiz über die Taten der AUC aussagen zu wollen. Noch am Abend des Treffens seien er und seine sieben Leibwachen erschossen worden. Dagegen behaupten regierungsnahe Quellen, der »Verhandlungsprozeß« mit den Paramilitärs befände sich in einer »schwierigen Phase«, ein mögliches Scheitern werde nicht ausgeschlossen. Die Hintergründe bleiben dabei jedoch ebenso im dunkeln wie die Inhalte des gesamten Abkommens. Dabei hatte die Regierung dem Parlament gerade erst eine Gesetzesinitiative vorgelegt, um die Auslieferungen von »Mitgliedern bewaffneter Gruppen« einzuschränken. Damit freilich sind nur die rechten Paramilitärs gemeint.
Die AUC-Kommandos machen keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit der auf internationalen Druck hin zustande gekommenen Forderung der Regierung, besonders schwere Verbrechen der Paramilitärs mit fünf bis zehn Jahren Haft zu bestrafen.
Nach dem Abkommen von Santa Fe de Ralito, das am 15. Juli 2003 zwischen der Regierung und den Paramilitärs der AUC geschlossen wurde, sollen bis Dezember 2005 alle geschätzten 13 000 AUC-Kämpfer »demobilisiert« werden. Allerdings ist der Inhalt und Wortlaut des Abkommens nie öffentlich bekanntgegeben worden, so daß der gesamte Prozeß mehr Rätsel als Antworten birgt.
Ob es allerdings jemals Klarheit über das Schicksal Carlos Castaños geben wird, ist fraglich. Sein Bruder Fidel, Vorgänger im Amt des Chefs der Paramilitärs, verschwand 1995 unter mysteriösen Umständen. Seine Leiche wurde nie gefunden. Seither halten sich hartnäckig Gerüchte, Fidel Castaños habe sich abgesetzt und genieße seitdem in Ruhe den mit Raub und Drogenhandel gescheffelten Reichtum.